Deutschland und Frankreich beabsichtigen, eine gemeinsame Lufttransporteinheit mit C-130J-Flugzeugen aufzustellen. Die Maschinen sollen in Frankreich stationiert werden. Gemischte Flugzeugbesatzungen und Technikerteams werden zusammen arbeiten und fliegen. Eine Delegation des Bundesministeriums der Verteidigung reiste jetzt nach Frankreich. In ersten Gesprächen mit Lokalpolitikern wurden dabei Rahmenbedingungen für die Stationierung deutscher Soldaten und die Integration deren Familienangehörigen geklärt.
Vor dem Kasernentor der Base Aérienne 105 (B.A.) im französischen Évreux hat sich eine Schlange gebildet. Alle Personen und Fahrzeuge werden streng kontrolliert, bevor sie auf den französischen Militärflugplatz fahren dürfen. Lieutenant-Colonel Frédéric Wiel, stellvertretender Kommandant des Luftwaffenstützpunkts B.A. 105, wartet bereits am Tor auf die Delegation aus dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Als Lieutenant-Colonel Wiel den Leiter der deutschen Delegation, Oberst Norbert Schneider, sieht, begrüßt er ihn herzlich: „Bienvenu en France, Norbert!“ Beide sind seit über 20 Jahren gute Freunde.
Vom Kasernentor aus ist die Startbahn rund einen Kilometer Luftlinie entfernt. Eine Ringstraße führt in einem großen Bogen rechts um die Flugpiste zu den Kasernengebäuden. Nach rund vier Kilometern stehen sie vor dem Stabsgebäude, in dem auch das Büro vom Kommandanten des Luftwaffenstützpunktes Colonel Vincent Breton liegt. Man ahnt, wie groß der Militärflugplatz ist.
Das Transportflugzeug C-130J schließt eine Fähigkeitslücke
Für die gemeinsame deutsch-französische Lufttransporteinheit will die Luftwaffe sechs Flugzeuge des Typs C-130J beschaffen. Das Flugzeug soll den Lufttransport durch die A400M-Flotte taktisch ergänzen. Nach dem Ende der Ära Transall sollen C-130J-Maschinen da eingesetzt werden, wo der A400M zu groß ist. Das könnten zum Beispiel Evakuierungseinsätze in Afrika sein, wo kleine und unbefestigte Pisten den Einsatz des A400M unmöglich machen. Die Bundeswehr hat sich frühzeitig festgelegt, dass diese Fähigkeitslücke in Kooperation mit einem europäischen Partner geschlossen werden sollte. Nach Sondierungsgesprächen mit Großbritannien und Frankreich stellte sich schnell heraus, dass man mit Frankreich eine so weitreichende Kooperation eingehen kann.
Gemeinsame Lufttransporteinheit in der Normandie
Die C-130J-Einheit soll auf dem französischen Militärflugplatz in Évreux, der „Base Aérienne 105“, stationiert werden. „Frankreich wird bereits zu dem Zeitpunkt, wo wir erhoffen, unsere Flugzeuge zu erhalten, über C-130J verfügen und tatsächlich in Frankreich stationiert haben. Deswegen gehen wir nach Évreux in Frankreich“, erklärt Oberst Schneider. Dazu ergänzt Colonel Vincent Breton: „Die deutsch-französische Lufttransporteinheit wird insgesamt über zehn bis zwölf Transportflugzeuge verfügen.“ Deutschland soll die Flugzeuge ab 2021 erhalten. Frankreich bekommt seine erste C-130J bereits Ende 2017.
Dann werden deutsch-französische Flugbesatzungen oder Technikerteams zusammen fliegen und arbeiten. Dafür will die Luftwaffe rund 150 Soldaten nach Frankreich senden. „Wir planen heute, dass wir 2021 anfangen, hier von Évreux aus zu operieren. Das heißt, es werden mit einem gewissen Vorlauf in Évreux ab Anfang 2021 die ersten Soldaten eintreffen“, so Schneider und weiter sagt er: „Die größte Herausforderung wird mit Sicherheit sein, in Deutschland Personal zu finden, das sich bereit erklärt, sich auf das Abenteuer Frankreich einzulassen.“
Familienangehörige sollen sich wohl fühlen
Guy Lefrand, Bürgermeister in Evreux, weiß wie wichtig eine Integration der deutschen Familien ist: „Wir werden Deutschkurse für Gewerbebetreibende anbieten. Gleichzeitig werden wir auch Französischkurse für die Familienangehörigen der deutschen Soldaten organisieren.“ Deshalb hat er Arbeitsgruppen zu den Themen Schule, Arbeit und Wohnraum gegründet. Mit eingebunden ist der zuständige „Préfét“ der Normandie, der höchste Verwaltungsbeamte des Departements, und Vertreter des „Ministre de l’Éducation nationale“, des Kultusministeriums, aus Rouen. „Für uns ist es sehr wichtig, dass ein attraktives Umfeld geschaffen wird. Ein Unteroffizier ist einfach zufriedener, wenn er mit seiner Familie am Dienstort leben kann und nicht Wochenendpendler ist“, so der Bürgermeister. Schulmodelle werden bereits beraten. So seien zum Beispiel deutsche Abteilungen in den Schulen möglich. Oder Schulabschlüsse wie das deutsch-französische „Abi/Bac“ oder das „Baccalauréat International (BI)“ denkbar.
Als Beispiel für potentielle Arbeitsstellen antwortet Lefrand spontan: „Es wird hier in den nächsten fünf Jahren einen Freizeit- und Themenpark geben. Dort wird auch Wissen zum Thema der Wikinger vermittelt. Natürlich werden dort Angestellte benötigt, die Englisch oder Deutsch sprechen können. Rund 150 weitere Arbeitsplätze werden dort entstehen, die auch für die Familienangehörigen der deutschen Soldaten in Frage kommen.“
Oberst Norbert Schneider ergänzt: „Man denkt nicht nur über Vorbereitung nach, man ist bereits dabei vorzubereiten. Es werden sich Gedanken gemacht über deutsch-französische Züge in Schulen, über die Integration der Lebenspartner in den Arbeitsmarkt und Neubauprojekte so auszulegen, dass Deutsche problemlos Wohnungen finden können. Ich war einfach überwältigt von diesem Empfang heute hier.“ Der Leiter der Projektgruppe aus dem BMVg erhofft sich, dass ein weiterer Schritt in Richtung der Integration der Streitkräfte gegangen wird. „Es könnte ein Musterbeispiel geschaffen werden, wie in Zukunft weitere europäische Einheiten miteinander kooperieren könnten.“
Autor: Burkhard Thoma/Luftwaffe