Ein Stück „Starfighter“ taucht nach über 40 Jahren im Untertaunus auf. Und damit auch ein Stück Fluggeschichte der Bundeswehr. Angefangen hat es aber mit einer kleinen gelben Metallkiste…

 

Der Starfighter mit der Kennung 28+18, der 1977 abgestürzt ist. (Quelle: Spotting Group Volkel/Frans van den Berk)

Da staunte Frank Schwarzer, als ein Nachbar vor der Tür seines Hauses in Strinz-Margarethä stand. Dieser hatte ein Stück eines F-104 „Starfighters“ in der Hand. Das Flugzeug war vor über 40 Jahren über dem kleinen Ort im südhessischen Taunus abgestürzt. Auf den ersten Blick eine unscheinbare gelbe Metallkiste, die allerdings den Flugdatenschreiber der abgestürzten F-104 enthält. Und damit ein Stück Geschichte der Luftwaffe.

 

Der Flugdatenschreiber des Starfighter 28+18. (Quelle: Luftwaffe/Frank Schwarzer)

„Der Nachbar hat sie als Kind im Bach in der Nähe der Unglücksstelle gefunden“, berichtet Schwarzer, der die Geschichte des kleinen Ortes aufarbeitet. „Da ich ein kleines Heimatmuseum habe“, so Frank Schwarzer weiter, „war ich wohl nach all den Jahren der richtige Ansprechpartner für diesen Fund.“ Offenbar wurde damals bei den Aufräumarbeiten etwas übersehen. Oder der Nachbar war einfach schneller. „Ich hab‘ ihn besser nicht gefragt“, sagt Schwarzer und lacht.

 

Die Unfallstelle im Jahr 1977. (Quelle: Bundeswehr/GenFlSichhBw)

Viele im Ort können sich an den 7. Oktober 1977, den Tag des Absturzes, noch gut erinnern. Tiefflüge waren damals alltäglich für die kleine Gemeinde im Untertaunus. Erst die ungewöhnlichen Geräusche des Jets mit der Bundeswehr-Kennung 28+18 schreckten die Einwohner auf. Sie hörten laute Explosionen. Der folgende Absturz dann eine Sache von Sekunden. Die Piloten konnten sich mit dem Schleudersitz retten. Und landeten per Fallschirm. „Auch, wenn ich alt genug bin“, sagt der 54-jährige Schwarzer, „kenne ich den Tag nur aus Erzählungen und Zeitungsberichten.“ Und jetzt hält der Heimathistoriker ein Stück dieser Geschichte in Form einer Metallkiste in der Hand.

 

Robert Doniat Ende der 70-er Jahre im Starfighter. (Quelle: Robert Doniat/Archiv)

Auch andere werden den Tag nicht vergessen

Ebenfalls gut an den Tag erinnern kann sich Robert Doniat, Oberstleutnant der Reserve. Er war einer der beiden Piloten, die an diesem Tag „aussteigen“ mussten. „Es war ein Freitag,“ beginnt der heute 70-Jährige. „Wir waren auf einem Übungstiefflug und eigentlich fast zu Hause. Nur fünf Minuten trennten uns vom Flugplatz in Büchel“, berichtet der damalige Hauptmann und Jetpilot. „Wir flogen durch einen Vogelschwarm. Keine Chance auszuweichen. Einige der Vögel trafen das Flugzeug und dann unser Triebwerk. Das kann gut ausgehen, muss es aber nicht.“ So wie an diesem Tag.

Der Starfighter, mit nur einem Triebwerk konstruiert, war nicht dafür gebaut, ohne Schub in der Luft zu bleiben. Die Stummelflügel brachten wenig Auftrieb. Selbst zur Landung musste das Triebwerk die nötige Geschwindigkeit liefern. Diese Form brachte dem Flugzeug jene markante Raketenform, die fast jeder schon einmal gesehen hat. Aber sie machte es auch zum Gegenteil eines Segelfliegers. Und ließen die F-104 binnen Sekunden auf ein Feld stürzen.

 

Die Unfallstelle in Strinz-Margarethä. (Quelle: Bundeswehr/GenFlSichhBw)

Explosionen am Himmel

Viele Anwohner glaubten an eine Explosion des Flugzeugs. „Der doppelte Knall waren jedoch unsere beiden Schleudersitze, mit denen wir uns aus dem Flugzeug schossen“, erzählt Doniat. Der Raketenantrieb der Sitze garantierte einen Sicherheitsabstand zum abstürzenden Flieger. Nicht alle Piloten des Starfighters hatten so viel Glück wie Robert Doniat und Hauptmann Gerhard Lohde, der vor ihm saß und das Flugzeug steuerte: Die Mehrheit der Abstürze endete damals tödlich. Von 916 Maschinen stürzten 269 ab und 116 Piloten kamen dabei ums Leben. Dies brachte dem Flugzeug in den 60-er Jahren den unschönen Namen „Witwenmacher“ ein. Eine Unglücksrate, die heute in der Luftwaffe völlig undenkbar ist.

 

Trümmerteile auf dem Feld. (Quelle: Bundeswehr/GenFlSichhBw)

Die Berichte in den Zeitungen zum Absturz waren geprägt von der Zeit und den Diskussionen um die F-104. So ist etwa von den „glücklichsten Menschen der Welt die Rede“, wenn es um die beiden Piloten geht. Robert Doniat ist auch heute noch sehr professionell und wirkt fast gelassen, wenn er zurückdenkt: „Natürlich waren wir glücklich, dass alles recht glimpflich abgelaufen ist. Aber es war auch beruhigend zu wissen, dass alles funktioniert. Man konnte sich auf die Technik verlassen.“ Nur sehr wenige Piloten mussten mehr als einmal aus dem Starfighter „aussteigen“. „Kein angenehmes Gefühl, wenn das komplette Rückgrat zusammengestaucht wird“, erinnert er sich. „Aber es blieb bei dem einen Mal – und eine Erfahrung, aus der wir gelernt haben.“

 

Robert Doniat heute. (Quelle: Robert Doniat/Archiv)

Liebe und Privileg

Der Zuneigung der Piloten zu „ihrem“ Starfighter konnten die Abstürze nichts anhaben. Sie liebten das Flugzeug, wie auch Doniat ohne Zögern zugibt. Schließlich war die F-104 „das Höchste, was man in der Bundeswehr fliegen konnte“, wie er berichtet. Verständlich, gab es doch zu dieser Zeit kein Flugzeug, das schneller oder höher flog. Der Starfighter brach alle Rekorde. Noch heute, so erzählt Doniat, der sich auch als Reservist engagiert, treffen sich bei der ILA (Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Berlin) die ehemaligen Starfighter-Piloten. „Ein Zusammenhalt“, sagt Doniat mit Stolz, „den man bei keinem anderen Flugzeug hat.“ Offensichtlich empfanden es viele als Privileg, diesen Jet fliegen zu dürfen. Trotz, oder gerade wegen, der Schwierigkeiten und der Gefahr. Die F-104, so hieß es, verzeihe keine Fehler.

 

Das Innenleben des Flugschreibers. (Quelle: Luftwaffe/Frank Schwarzer)

Die kleine gelbe Metallkiste, das letzte „überlebende“ Bauteil der 28+18, hat Frank Schwarzer jetzt der Luftwaffe übergeben. Eine Auswertung ist nicht mehr notwendig, der Unfall ist längst geklärt. Aber der Flugschreiber wird – jetzt Teil der Geschichte der Luftwaffe – im Militärhistorischen Museum Flugplatz Berlin-Gatow ausgestellt. Kaum 100 Meter von einem Starfighter entfernt, der dort als Ausstellungsstück steht. Die schlanke Spitze Richtung Himmel. So als wäre er eigentlich gar nicht auf dem Boden. Sondern würde einfach weiterfliegen.

 

Frank Schwarzer übergibt Oberstabsfeldwebel Karl-Heinz Reinberg die „gelbe Kiste“. (Quelle: Luftwaffe/Frank Schwarzer)

Autor: Ralf Krüger

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