Bei den deutschen Luftstreitkräften ist mit dem Kommando Einsatzverbände Luftwaffe eine Dienststelle entstanden, in der annähernd alle operativen Fähigkeiten der Luftwaffe gebündelt sind. aktuell sprach mit dem ersten Kommandeur, Generalleutnant Martin Schelleis, der ein gutes Jahr nach der Aufstellung eine Zwischenbilanz zieht.
Welchen Auftrag erfüllt das Kommando Einsatzverbände der Luftwaffe?
Wir sind der Haupttruppensteller der Luftwaffe. Das heißt, wir führen die Einsatzverbände der Luftwaffe im Grundbetrieb, bereiten sie auf die Einsätze vor, unterstützen sie während des laufenden Einsatzes personell und materiell und nehmen sie danach wieder auf. Darüber hinaus nehmen unsere Verbände Dauereinsatzaufgaben wahr, unter anderem die Sicher- ung des Luftraumes mit „Eurofighter“-Alarmrotten und den entsprechenden Kräften zur Einsatzführung. Derzeit gehören dem Kommando etwa 22?000 Soldaten und zivile Mitarbeiter an.
Sie führen ein relativ großes Truppenkommando und sind viel zu Truppenbesuchen unterwegs. Welche Eindrücke konnten Sie dabei in den vergangenen Monaten sammeln?
Ich treffe überall auf motiviertes und zupackendes Personal, das die Umbrüche und die Änderungen annimmt. Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich ein modernes Waffensystem auf einem struktursicheren Dienstposten am Zielstandort oder ein Altwaffensystem mit begrenzter Restlaufzeit in einem aufzulösenden Traditionsverband bediene. Da gibt es nachvollziehbar unterschiedliche Befindlichkeiten und Probleme. Man darf auch nicht verkennen, dass einige Entscheidungen der Neuausrichtung für manchen echte Nachteile mit sich bringen. Und trotzdem machen die Soldaten und zivilen Mitarbeiter überall engagiert mit! Das ist nicht selbstverständlich und verdient deshalb besondere Wertschätzung. Grundvoraussetzung für den konstruktiven Umgang mit Problemen ist die Pflege einer offenen und vertrauensvollen Gesprächskultur. Deshalb reise ich auch sehr gern in die Verbände – kein Aktenstudium und keine Videokonferenz ersetzt das persönliche Gespräch.
Die Jagd- und Jagdbombergeschwader sind alle in Taktische Luftwaffengeschwader umbenannt worden. Warum war diese neue Betitelung notwendig und was ist neu an diesen Kampfverbänden?
Die Umbenennung war notwendig, weil die alten traditionsreichen Bezeichnungen – teils aus den 50er-Jahren – die aktuellen Aufgabenstellungen nicht mehr reflektierten. So ist etwa das ehemalige Jagdbombergeschwader 31 „Boelcke“ in Nörvenich mit der Taktischen Luftwaffengruppe „Richthofen“ in Wittmund kein Jagdbombergeschwader mehr. Zwar wird der „Eurofighter“ dort absehbar als Jagdbomber gegen Bodenziele, aber weiterhin auch als Jagdflugzeug, also in der Luft-Luft-Rolle, eingesetzt. Auch die anderen Geschwader haben mehrere Rollen zu erfüllen, und das kommt in der neuen Bezeichnung deutlich besser zum Ausdruck. Dessen unbenommen pflegen die Verbände ihre gewachsene Tradition aus bald 60 Jahren Luftwaffengeschichte. Und das ist sehr wichtig: Sie ist identitätsstiftend und hilft, gerade in Zeiten des Umbruchs und hoher Belastungen, den Gemeinschaftssinn zu stärken.
Mit dem Strategischen Transportflugzeug A400M ist ein neues Aushängeschild der Luftwaffe quasi im Anflug. Wie sieht der Fahrplan für dieses Luftfahrzeug aus und wie weit sind die Vorbereitungen beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf fortgeschritten?
Geplant ist, dass wir das erste Flugzeug in den kommenden Monaten erhalten. Bis 2020 sollen dann in mehreren Tranchen insgesamt 40 ausgeliefert sein. Die personellen, logistischen und infrastrukturellen Vorbereitungen sind noch nicht abgeschlossen, liegen aber im Zeitplan. Wir werden aufnahmebereit sein, wenn das erste Flugzeug kommt. Wir freuen uns darauf! Ich bin den A400M Anfang des Jahres selbst geflogen – ein tolles Flugzeug, aber noch kein Waffensystem. Das muss man deutlich sagen. Denn in den ersten Maschinen ist noch nicht alles eingerüstet, was wir für den taktischen Einsatz brauchen. Wir können allerdings mit dem Ausbildungsflugbetrieb beginnen und auch bereits logistische Transporte durchführen.
Die „62er“ in Wunstorf sind in freudiger Erwartung?
Na klar, sie haben ja lange genug gewartet. Viele befinden sich bereits in der Ausbildung oder sind schon fertig. Die Bautätigkeit in Wunstorf ist beeindruckend, es ist eine der größten Baustellen Niedersachsens. Das täglich vor Augen zu haben, spornt an und steigert die Vorfreude.
Mit einer Verwendung im Raum Köln/Bonn sind Sie als gebürtiger Dürener sozusagen heimatnah eingesetzt, welche Maßnahmen ergreifen Sie in Ihrem Verantwortungsbereich, um der Forderung nach Vereinbarkeit von Familie und Dienst Rechnung zu tragen?
Jeder Mensch hat andere Erwartungen und jede Lebenssituation ist anders. Am Standort Köln-Wahn selbst haben wir eine hervorragende Betreuungsinfrastruktur einschließlich Kindergarten. Wir haben Gleitzeit. Angehörige des Kommandos arbeiten in Teilzeit, in Telearbeit oder befinden sich in Elternzeit. All das unterstütze ich aus Überzeugung im Rahmen des Möglichen.
Was macht ein Kommandeur in seiner Freizeit?
Ausdauer- und Fitnesssport, Familie, Lesen, Reisen. Und wenn es die Zeit erlaubt, versuche ich mich am Golfspiel.
Welche Botschaft haben Sie für unsere Leser?
Das Motto des Kommandos Einsatzverbände „Einsatzbereit, professionell, effizient“ ist der Anspruch, den wir an uns selber stellen – und den andere an uns stellen können! Mir sind die aktuellen Defizite wohl bekannt, aber da wollen wir hin und darum bemühen wir uns täglich.
Die Fragen stellte
Torsten Sandfuchs-Hartwig