Um eine lückenlose Luftraumüberwachung gewährleisten zu können, besitzen die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Länder und die österreichischen Luftstreitkräfte Control and Reporting Centre (CRC), auch Führungsgefechtsstände genannt. Die Luftwaffe besitzt zwei, die jeweils in Erndtebrück beim Einsatzführungsbereich 2 und in Schönewalde beim Einsatzführungsbereich 3 stationiert sind.
Um auch von anderen Standorten der Welt aus agieren zu können, befindet sich in Schönewalde/Holzdorf das Deployable Control and Reporting Centre (DCRC), ein verlegefähiger Führungsgefechtsstand, unter der Leitung des Einsatzführungsbereichs 3. Dieses ist analog aufgebaut, wie die beiden stationären CRC. Der einzige unterschied besteht darin, dass es überall auf der ganzen Welt, vorausgesetzt die topographischen Gegebenheiten lassen eine 40 x 60 Meter große, ebene Fläche zu, aufgebaut werden kann. Die 14 bis 21 Container des DCRC, mit einem jeweiligen Gewicht von acht bis 12 Tonnen, werden binnen zwei Wochen in Schönewalde/Holzdorf abgebaut und sind sowohl land-, als auch luft- und seetransportfähig. So können weltweit Schwerpunkte gebildet oder Lücken in der Radarabdeckung geschlossen werden. Ist das DCRC erst einmal aufgebaut und sind alle Anlagen angeschlossen, ist es für mehrere Wochen einsetzbar. Um einen Betrieb von 24 Stunden gewehrleisten zu können, arbeiten die Soldatinnen und Soldaten in drei Schichten zu jeweils 25 bis 30 Personen.
Gemeinsam haben alle Führungsgefechtsstände die Aufgaben, ein Luftlagebild in zugewiesenen Einsatzgebieten zu erstellen, Kampfflugzeuge im Luftraum zu führen und ihnen die entsprechenden Ziele zu zuweisen. Sie bilden somit die Grundlage für die taktische Führung von Luftoperationen jeglicher Art. Die Erstellung eines solchen Luftlagebildes funktioniert jedoch nur mit der Hilfe von Radaranlagen, die verschiedenste Daten erfassen und an die Führungsgefechtsstände senden. Den beiden deutschen CRC stehen dafür stationäre Radaranlagen, die in ganz Deutschland verteilt sind, zur Verfügung. Das DCRC hingegen hat zwei verlegefähige 3D-Großraumradargeräte vom Typ RAT-31 DL/MD-Band long range / mobil.
RAT steht für „Radar Avvistamento Terrestre“, das aus dem italienischen übersetzt „Bodenständiges Aufklärungsradar“ bedeutet. Die Buchstaben DL/MD-Band long range / mobil bedeuten D-Band, Long range und Mobile. Long range weist auf die hohe Reichweite des Radars hin und Mobile deutet auf die Mobilität und Verlegefähigkeit hin.
Das RAT-31 DL/MD-Band long range / mobil besteht aus drei Komponenten, die jeweils in 20-Fuß-ISOInternational Organization for Standardization-Containern untergebracht werden. Die drei Komponenten sind der Bedien-Shelter, eine Stromerzeugeranlage und eine faltbare Antenne. Die drei Container können dann auf LKWs oder auf den A400M für den Transport verladen werden. So wird eine schnelle Verlegefähigkeit und hohe Mobilität gewährleistet. Das technische Personal der Radaranlage, das sowohl für den 24-Stunden-Betrieb als auch für den Auf- und Abbau benötigt wird, umfasst 10 bis 15 Soldatinnen und Soldaten.
Jeder Handgriff muss sitzen
Nachdem die Mannschaft des DCRC in ein Einsatzgebiet verlegt hat, folgen unverzüglich die Aufbauarbeiten. Die Soldatinnen und Soldaten des Radarzuges ziehen aus Sicherheitsgründen einen Zaun mit Stacheldraht um die Anlage herum. Der Bereich ist im Wesentlichen aus Sicht der ITInformationstechnik-Sicherheit einzurichten und sollte eine Größe von 100×100 Meter aufweisen. Die verarbeiteten Daten sind sensibel.
Nachdem der Zaun gezogen wurde, werden die verschiedenen Kabel angeschlossen, Stromerzeugeranlagen eingeschaltet, Stützen ausgefahren und der Radarschirm aufgestellt. Innerhalb kürzester Zeit ist die Anlage aufgebaut und einsatzbereit. Das Radar wird vom DCRC aus gesteuert. Dennoch müssen kleinere Einstellungen, das Sicherstellen der Funktion der Stromanlagen und das Beheben von technischen Problemen Vorort erledigt werden. Dafür sind die Soldatinnen und Soldaten des Radarzuges verantwortlich.
Die Antennenfläche des RAT-31 DL/MD-Band long range / mobil umfasst 32m². Es arbeitet mit 32 Strahlerreihen, zu jeweils 30 Dipolen, sowie 32 Sender-/Empfängermodulen mit einer Sendeleistung von bis zu 2 Kilowatt. Während es sich pro Minute sechs Mal um seine eigene Achse dreht, deckt es 360 Grad ab. Die Rundumsuche erfolgt durch vier unabhängige Beams im D-Band während der Umdrehungen. Die vertikale Schwenkung der Beams geschieht mittels elektronischer Phasenverschiebung der Speisung der 32 Reihen. Bei dieser Antenne handelt es sich um eine Phased-Array-Antenne. Phased-Array bedeutet phasengesteuertes Feld. Sie erreicht eine Bündelung der Strahlungsenergie durch die Anordnung und Verschaltung einzelner Strahler. Da sich diese Strahler unterschiedlich ansteuern lassen, ist das Antennendiagramm der Antenne elektronisch schwenkbar.
Entfernung, Richtung und Höhe
Mit einer Reichweite von 10 bis 430 Kilometern, in Abhängigkeit vom Betriebsmodus und dem Aufstellungsort, und einer Erfassungshöhe von 30 Kilometern, kann dass Radar Flugziele erkennen, verfolgen und begleiten. Es kann auch Daten von anderen Teilstreitkräften und anderen verbündeten Nationen oder anderen Radaranlagen empfangen und weiterleiten. Dabei erfasst es unteranderem die Daten von Entfernung, Richtung und Höhe von Flugobjekten. Diese leitet es auch mit der Hilfe von SATCOM, Satellitenkommunikation, oder über LAN-Verbindungen an Empfänger wie das DCRC weiter. Dort werden die gesammelten Daten ausgewertet und weiterverarbeitet und letztendlich ein Luftlagebild erstellt. Über militärische Datennetzwerke werden die neuen Erkenntnisse dann an weitere Empfänger, wie verbündete Kampfflugzeuge, weitergeleitet.
Da die Führung von Luftfahrzeugen nicht ausschließlich durch den Austausch von Daten funktioniert, werden in der Nähe der Radaranlagen sogenannte Radiostationen aufgebaut. Die Funkreichweite zu den Luftfahrzeugen wird somit erhöht und die Führung dieser durch die verbale Kommunikation als Ergänzung zu den Daten vereinfacht. Das Radar und die Radiostation bilden so die Augen und Ohren des DCRC und helfen bei der Luftraumüberwachung.
Weltweit einzigartig
Derzeit besitzt Deutschland die einzigen beiden Systeme in dieser verlegefähigen Variante. Sie sind beide in Schönewalde bei der Einsatzunterstützungsstaffel 34 stationiert.
Um die multinationale Zusammenarbeit im Bereich der Luftraumüberwachung und Führung zu stärken und zu verbessern, finden regelmäßige Übungen statt. Das Radar RAT-31 DL/MD-Band long range / mobil ist nicht ein beliebiges Radar wie jedes andere. Vielmehr ist es wichtig für die Luftraumüberwachung in Deutschland und zur Verdichtung beziehungsweise Schwerpunktbildung im verlegten Einsatz, sowie auch bei Übungen. Mit diesem mobilen System leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag in der integrierten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Luftraumüberwachung und -verteidigung.
Autor: Nathalie Passon