Red Flag, Green Flag, Blue Flag, Maple Flag – groß angelegte Luftwaffenübungen gibt es so einige. Zu einer Hochwert- (Flag-) Übung hat sich auch das NATO Tiger Meet entwickelt. Im Gegensatz zu den Übersee-Übungen findet das von einzelnen Staffeln organisierte Meeting meist in einem der europäischen Nachbarländer statt. Angesichts knapper Ressourcen ein unschlagbarer Vorteil.

„Wir in Schleswig haben ein ziemlich ähnliches Wetter wie ihr hier kurz vor der Atlantik-Küste“, startet Oberstleutnant Markus D., Pilot und Kommandoführer den Smalltalk mit Colonel Jean-Pierre Foucault beim VIP-Lunch. Denn seit drei Tagen regnet es in Mont-de-Marsan, 60 Kilometer vor der Cote d’argent im äußersten Südwesten Frankreichs. Dem anspruchsvollen Übungsszenario tut das keinen Abbruch. „Unser Tornado liebt das Wetter, schließlich ist das ein Allwetter-Kampfflugzeug“, so der Kommandoführer weiter.

Flugzeuge, Hubschrauber und eine Fregatte üben gemeinsam

Markus D. nutzt das Lunch auch dazu, den französischen Gastgebern für die professionelle Vorbereitung und Durchführung der Übung zu danken. Denn allein die Armée de l’air, wie die französischen Luftstreitkräfte heißen, hat viel Großgerät aufgeboten, um das seit 1961 jährlich stattfindende NATO Tiger Meet für alle teilnehmenden Nationen attraktiv zu machen: 23 Kampfflugzeuge, sechs Hubschrauber, eine Boeing-AWACS, drei Luftverteidigungsstationen mit mehreren Boden-Luft-Radaren und sogar die im Golf von Biskaja kreuzende Fregatte „Jean Bart“ ist in das neuntägige Szenario eingebunden. 850 Soldaten bieten die Franzosen dafür auf, etwas mehr als die Teilnehmer aus acht verschiedenen Nationen, die Beobachter nicht mitgerechnet.

 

Beim NATO Tiger Meet zählt nicht nur das Fliegen, sondern auch der Austausch mit anderen Nationen. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Umleitungen für den zivilen Flugverkehr

„Frankreich ist wegen seines enormen Luftmachtpotenzials in Europa ein wichtiger Partner“, stellt Oberst Markus Bungert fest. Als Vertreter des Inspekteurs der Luftwaffe nimmt der in Frankreich stationierte Luftwaffenattaché am VIP-Tag mit der französischen Verteidigungsstaatssekretärin Geneviéve Darrieussecq und dem Leiter des zivil-französischen Kabinetts der Ministerin für die Streitkräfte, Martin Briens, auf der 118. Airbase ‚Colonel Rozanoff’ in Mont-de-Marsan teil. Bei dieser größten gemeinsamen fliegerischen Übung partizipiert die Luftwaffe vom Stellenwert, den die Armée de l’air genießt. Zum Beispiel daran abzulesen, dass Frankreich bei dieser Übung drei Lufträume von je 110.000 Quadratkilometern für den zivilen, internationalen Luftverkehr sperrt.

In der Heimat nicht erreichbarer Übungseffekt

Die Missions seien auf den ECR-Tornado aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ in der Rolle der Unterdrückung der gegnerischen Luftverteidigung (SEAD) optimal abgestimmt und ändern sich dynamisch. „Im Prinzip üben wir genau das, was von uns im Rahmen der NATO Response Force in diesem und im kommenden Jahr erwartet wird“, so der Kommandoführer weiter. Nur dass das im heimatlichen Schleswig-Holstein nicht möglich wäre. Denn dafür fehlen in erster Linie viele andere Player, die zu einer komplexen militärisch-politischen Lage mit hohem (künstlichen) Konfliktpotenzial beitragen könnten.

Beim Tiger Meet ist es Tradition, dass alle Nationen ein Luftfahrzeug im Tiger-Design präsentieren. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

115 Frauen und Männer aus sämtlichen Fachgruppen umfasst das Schleswiger Kommando in diesem Jahr. Bedauerlicherweise konnte das Taktische Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg (ebenfalls vollwertiges Mitglied der Tiger Association) in diesem Jahr nicht aktiv teilnehmen, sondern nur zwei Eurofighter für ein Static Display am Wochenende abstellen. „Das Teamwork ist großartig, nicht nur, weil hier alle räumlich viel enger zusammenarbeiten“, findet Luftfahrzeugavionik-Offizier Oberleutnant Randy Robeck, der auf dem Kommando als Projektoffizier Technik eingesetzt ist.

Konzentrierte Teamarbeit für eng getaktete Slots

Die Gastgeber erwarten aber auch von Ihren Gästen einen hohen Standard: „Unser Zeitfenster für den Takeoff ist genau zwei Minuten“, berichtet Pilot Chuck P. Deswegen steht ein extra Team für eine eventuell notwendige, schnelle Störbehebung bis zum Losrollen am Rande der Parkposition zur Verfügung. Jeder der vier Tornados ist doppelt besetzt, so dass sich ein Übungseffekt für acht Crews ergibt.

Rundgang mit dem Luftwaffenattaché: Oberst Markus Bungert besucht im Auftrag des Inspekteurs der Luftwaffe das NATO Tiger Meet. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Vor der Nachmittagsmission, bei der die Schleswiger die Fregatte angreifen sollen und dabei von den französischen Marine-Rafale erwischt werden, haben die Piloten erstmals seit Tagen Wetterglück: die Startbahn ist trocken und der Seitenwind unter dem Grenzwert. Deswegen starten sie in einer engen Zweierformation und bringen mit ihrem Nachbrenner-Schub die Magenwände zum Vibrieren.

Optimales Flugwetter und ein guter Klarstand: eine Two-Ship, davon die sonderlackierte 43 25 in der IDS (interdiction strike/Jagdbomber) Version kurz nach dem Takeoff. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

Autor: Max-Joseph Kronenbitter

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