Viking One One down

Viking One One down

“Viking One One down”, so der Funkspruch beim “Personnel Recovery Coordination Center”. Kurze Stille. Dann konzentriertes und simultanes Arbeiten zur Rettung des abgeschossenen Piloten. Glücklicherweise nur ein Szenario für Lehrgangsteilnehmer.

 

Die Frauen und Männer im engen Lageraum sitzen hoch konzentriert an ihren Arbeitsplätzen, der Schichtführer nimmt Verbindung zu seiner vorgesetzten Dienststelle in Györ (Ungarn), dem Joint Personnel Recovery Center (JPRC), auf. Die bestätigt den Funkspruch und den Vorfall. Dann wird die weitere Verantwortung dem PRCC übertragen. Der PR-Schichtführer informiert den Leiter der JOC (Joint Operations Cell), der gemeinsamen Operationszentrale. Parallel fordert er ein Lagebild über die Situation und eine stabile, gesicherte Funkverbindung zu Kräften vor Ort an. Der Rettungseinsatz, – dieses Mal glücklicherweise nur ein Lehrgang-, ist eingebettet in das Szenario „Balatonia“, angepasst an die Region um den Plattensee. Ein typisches Szenario der heutigen Zeit, asymmetrisch und mit undurchsichtigen Konfliktparteien, dabei jedoch fiktiv, wie man es aus vielen Übungen kennt: zwei JAS 39 Gripen der Ungarischen Luftwaffe werden bei einem Aufklärungsflug nördlich des Plattensees mit tragbaren Luftabwehrraketen beschossen. Dabei wird eine Maschine getroffen und stürzt ab. Der Pilot kann sich mit dem Schleudersitz retten.

 

„Viking One Two has a clear picture on spot“
so der Funkspruch, der im PRCC eingeht. „Roger, Viking One Two is declared as on Scene Commander”, lautet die Anweisung des PRCC an den Piloten. Es bedeutet, dass die in der Luft verbliebene Gripen die Landezone des abgesprungenen Piloten im Auge behält, den abgeschossenen Piloten so gut wie möglich schützt und die PR Kräfte mit den aktuellen Lagedaten vor Ort informiert. „Attention in the JOC, we have a PR event“, so die Ansage des PR-Schichtführers in der Operationszentrale. Ein klares Zeichen dafür, dass nun die Rettung des abgeschossenen Piloten das normale operative Geschäft des Gefechtsstandes in den Hintergrund rückt. Alle verfügbaren Experten müssen nun der PR-Zelle zuarbeiten. Es handelt sich um einen Notfall, der Schnelligkeit und Präzision erfordert.

 

Telefone laufen heiß, Übersichtstafeln und Tabellen werden geführt, Checklisten zu Rate gezogen. Der gemeinsame elektronische Chat-Raum auf den Computern der einzelnen Arbeitspositionen zeigt den Fortgang der Rettungsoperation und wichtige Daten wie aktuelle Lage im Einsatzraum, Bereitschaft und Verfügbarkeit von Kräften. Szenenwechsel, Papa Luftwaffenbasis in Nord Ungarn. Die Recovery Kräfte haben einen Vorbefehl zu dieser Rettungsaktion erhalten. Auch hier laufen die Telefone heiß, Einweisungen werden durch den Führer der „Extraction Force“ gegeben, die Luftfahrzeugbesatzungen sind an den Maschinen, die Triebwerke laufen warm….

 

„Attention! We have maybe a second PR Event”
„Launch PR event“. Der Befehlshaber des Regionalkommandos, als Verantwortlicher für alle Operationen in seinem Einsatzraum, hat die Freigabe zur Rettungsaktion erteilt. Das Team im PRCC in Veszprem gibt den Befehl an die Rettungskräfte. Kurz darauf starten in Papa zwei Mi 24 Hind Kampfhubschrauber und ein Mi 17 Transporthubschrauber mit den Recovery Kräften an Bord in Richtung des isolierten Piloten am Boden, im Fachjargon ISOP (Isolated Person) genannt. Nach einigen Minuten Flugzeit erreichen sie die Einsatzzone und beginnen mit der Rettung des Piloten, der von irregulären Kräften umzingelt ist. Zur selben Zeit klingelt das Telefon im PRCC in Veszprem. Am Apparat der Gefechtsstand des Slowakischen PRTs. „We have lost communication to one of our patrols, since twelve hours no contact”, so die Information, die der PR Schichtführer mit einem Seufzer zur Kenntnis nimmt. Das Übungsszenario nimmt seinen Lauf und erfährt eine Steigerung: „Attention in the JOC. We have maybe a second PR Event“. Die Offiziere und Unteroffiziere, die an diesem einwöchigen Lehrgang in Veszprem teilnehmen, kommen aus verschiedenen Nationen und den unterschiedlichsten Bereichen. So sind Piloten, Radarführer, Überlebensexperten und Angehörige von Spezialkräften aus verschiedenen Ländern in den PRCC Teams, die eine theoretische und praktische Ausbildung durchlaufen. Am Ende des Lehrgangs gibt es einen schriftlichen Test, der mindestens zu 80 Prozent richtig beantwortet werden muss.

 

Einer der Ausbilder ist der schwedische Hauptmann Frederik F. Der 45-Jährige hat bereits mehrere PR-Einsätze in Afghanistan als Angehöriger eines JPRC durchgeführt. „Wir müssen uns auf Grundlage der Vorschriften immer wieder neu auf wechselnde Szenarien einstellen und die Erfahrungen in Bezug auf die Ausbildung anpassen. Eine Schubladenlösung gibt es nicht. Der Verstand des Menschen ist durch nichts zu ersetzen.“, so der schwedische Offizier.

 

Personnel Recovery ist mehr als nur die reine Rettungsaktion
„Personnel Recovery ist mehr als nur die reine Rettungsaktion“, so OTL Stefan G. vom Zentrum Luftoperationen in Kalkar und Ausbilder im Lehrgang in Veszprem. „PR verbindet alle Elemente. Sie beginnt mit der Ausbildung von Menschen, die in Gefahr geraten könnten, isoliert zu werden, befasst sich mit dem Training des Rettungspersonals und der Schulung an der benötigten Technik. Sie endet mit der Re-Integration der geretteten Soldaten, die mitunter wochenlang isoliert waren, in ihr dienstliches Umfeld und in die Familien“, so der 47-Jährige CH-53-Pilot. Im Anschluss an den PR Controller Course findet in Veszprem der PR Planner Course statt. Der ebenfalls einwöchige Lehrgang bereitet das Führungspersonal auf Ebene Joint Force Command auf ihre Aufgaben als Leiter einer PR Zelle vor und schult die Soldaten unter anderem auch im Umgang mit den notwendigen Dokumenten. So hat sich die 60.000-Einwohner-Stadt Veszprem am Plattensee europaweit einen Namen unter den PR- Ausbildungsstätten gemacht. Das CAOC sowie die nationalen und internationalen Ausbilder leisten einen wertvollen Beitrag gemäß dem Motto „That others may live“ – „Damit andere leben können“.

Autor: Arthur Fontani/Luftwaffe
Foto: Arthur Fontani/Luftwaffe

div#stuning-header .dfd-stuning-header-bg-container {background-size: initial;background-position: top center;background-attachment: initial;background-repeat: initial;}#stuning-header div.page-title-inner {min-height: 650px;}
X
X