Von Taurus bis Bordkanone – Der Tornado kann alles!

Von Taurus bis Bordkanone – Der Tornado kann alles!

Der Schlepper ächzt im Getriebe, als er die schweren Hangartore aufschiebt. Grelle Sonnenstrahlen fallen auf die deutschen Tornados, und vom Ozean her weht ein kalter Herbstwind in die Halle. Schon kurz nach Sonnenaufgang bereitet sich das Taktische Luftwaffengeschwader 33 am anderen Ende der Erde auf den Einsatz im „Country Purple“ vor.

 

An diesem Morgen spürt die Wartungsstaffel aus Büchel deutlich, dass die Overberg Air Base zwischen zwei Ozeanen liegt. Das Thermometer zeigt 10 Grad an und der Windmesser 8 Beaufort als sich Hauptfeldwebel David Böhme seine Ausrüstung zurechtlegt. Vier weitere Mann der Wartungsstaffel bugsieren die Tornados aus dem Hangar auf das Vorfeld. Zusammen mit Hauptfeldwebel Thomas Klein macht sich der 30-Jährige sofort an die Vorfluginspektion. Rund 40 Positionen müssen dafür abgearbeitet werden. Die beiden Ersten Warte prüfen genau, ob der Tornado Öl oder Kerosin verliert, Kabel richtig sitzen oder Bauteile beschädigt sind. Dann geht es an die Munition.

Hauptfeldwebel Böhme beim Anhängen einer GBU 54. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

 

„Das einzige Geschwader mit diesem breiten Spektrum“

Zusammen mit seinem Teamkollegen rollt der Wart aus Büchel eine „Guided Bomb Unit“, eine GBU 54, an den Tornado. Eine laser- und GPS-gelenkte Bombe, die normalerweise 500 Pfund Sprengstoff transportiert. Heute, für die Übung auf der Denel Overberg Test Range, bleibt es bei Beton. „Die GBU 54 setzen wir für kleinere oder mobile Ziele wie einen Konvoi ein“, erklärt Hauptfeldwebel Böhme. „Für schwerere Ziele wie Bunker gibt es die lasergelenkte GBU 24 oder den Taurus.“

 

Die 27-Millimeter-Bordkanone wird klargemacht. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

Außerdem bestücken die Soldaten die beiden 27-Millimeter-Bordkanonen pro Seite mit 180 Schuss Übungsmunition. „Wir sind der einzige fliegende Kampfverband der Luftwaffe, der dieses breite Spektrum abdecken kann“, erklärt Hauptfeldwebel Böhme und ergänzt: “ Und mit dem Lenkflugkörper Taurus gehören wir seit vergangenem Jahr sogar zur NATO Response Force und können weltweit in der ersten Reihe eingesetzt werden.“

 

Ein Tornado am Haken vor dem Hangar in Südafrika. (Quelle: Luftwaffe/A.Bienert)

Der gelernte Kfz-Mechatroniker arbeitet seit 2008 in Büchel. Bei der Bundeswehr sattelte er noch drauf, lernte Flugzeuggerätemechaniker mit der Fachrichtung Wart, machte seinen Meister für das Waffensystem Tornado, einen Lotsenlehrgang. Sein nächstes Ziel: der Bereich Truppenpsychologie. Aber heute konzentriert sich David Böhme voll und ganz auf das Aufmunitionieren: „Eine scharfe Waffe ist schon etwas Anderes als Übungsmunition. Wenn ich bei meiner Arbeit nicht aufpasse, kann es ganz schön in die Hose gehen. Deshalb stehen wir hier bei dieser Hochwertübung in Südafrika auch ganz schön unter Strom.“

 

Oberleutnant Max Wagner*und sein Pilot Felix Brückner* vor dem Start. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

Das gilt während „Two Oceans“ auch für Piloten und Waffensystemoffiziere. Sie kommen, als die Sonne höher steht, direkt vom Briefing auf die Air Base. Genau wie bei der Technik sind es leistungsstarke Crews, „alte Hasen“ oder ganz junge, die hier unter optimalen Bedingungen trainieren können. „In Deutschland gibt es zu viele Begrenzungen für das Fliegen. Hier haben wir Platz und viel Luft in den Höhen, Tiefen und der Weite“, sagt Oberstleutnant Sven Koek. „Deshalb verlegt unser Geschwader alle drei Jahre auf die andere Seite der Erde.“

Oberstleutnant Sven Koek im Kontrollzentrum der Denel Overberg Test Range. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

 

Die Luftwaffe unterstützt die „Rebellen im Country Purple“

Der 39-Jährige ist Staffelkapitän der „Devils“ in Büchel und koordiniert während der Übung die Einsätze der Fliegenden Gruppe in Südafrika. Für „Two Oceans“ hat sich der Koblenzer ein besonderes Szenario ausgedacht: Darin unterstützt die Luftwaffe die demokratische Rebellenbewegung in dem Land „Country Purple“, die sich gegen einen Diktator wehrt. Dafür werden in verschiedenen Stufen des Konflikts erst der Taurus, dann schon etablierte Waffen wie die GBU 24 eingesetzt. „Das ist das Neue an der Übung. Wir machen zum ersten Mal herkömmliche Testabwürfe, um die Überarbeitungen von Hard- und Software an den Waffensystemen zu überprüfen und verknüpfen das mit einem taktischen Szenario.“ Dabei wird der Kontrollraum der Test Range auch als Combined Air Operation Center (CAOC) genutzt, das die Einsätze steuert und koordiniert.

 

Konzentration vor dem Start. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

Oft erfahren die Crews erst in der Luft, dass sie ein kleines Ziel auf dem stürmischen Ozean suchen müssen oder eine Bombe so platzieren, dass eine fahrende Autokolonne getroffen wird. Die Lage ändert sich ständig. Pilot und WSO müssen selbstständig innerhalb einer festgelegten Matrix entscheiden, welche Waffe sie wann und wie einsetzen, ohne die Bewohner des Landes zu gefährden. „Das geht schon an die Belastungsgrenzen“, sagt Oberleutnant Max Wagner*. „Als Waffensystemoffizier bin ich dort oben ein Rieseninformationssammler. Ich bringe alles in die Bordsysteme, kommuniziere mit dem Piloten, anderen Maschinen, dem CAOC und laser die Ziele an, bis sie bombardiert werden. Also ein ‚Force Multiplier‘. Rund 80 Prozent der Aufmerksamkeit der Crew gehören dabei den komplexen Systemen wie Datenaustausch, Aufklären usw., obwohl der ASSTA 3.0 unsere Arbeit enorm erleichtert.“

 

Tornado mit Taurus. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

Am Kap wird das komplette Einsatzspektrum der Tornados genutzt

Für „Two Oceans“ wird das gesamte Einsatzspektrum des Waffensystems Tornado genutzt. Fliegerisch und bei der Bewaffnung. Und das reicht von der Bordkanone bis zum Lenkflugkörper mit großer Reichweite. .„Mit dem ASSTA 3.0 Tornado haben wir den technischen Rückstand gegenüber unseren Nato-Partnern größtenteils aufgeholt. Wir müssen aber im Auge behalten, dass der Jet schon vier Jahrzehnte genutzt wird und rechtzeitig längere Laufzeiten vorbereiten oder an Nachfolgemodelle denken“, erklärt Oberstleutnant Koek.

 

Tornados aus Büchel mit GBU 54 (unten) und GBU 24. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

Das ist auch für die Techniker wichtig. „Der ASSTA 3.0 Tornado ist komplexer geworden, vernetzter im Datenaustausch zwischen mehreren Systemen und sehr avioniklastig“, sagt Hauptfeldwebel David Böhme. „Aber mit dem Waffensystem sind wir zurück in der Championsleague. Und das spannende an so einer Übung wie Two Oceans ist, dass Soldaten aus allen Fachgruppen eng zusammenarbeiten, Probleme kurz und schnell gemeinsam lösen und voneinander lernen. Das sind Erfahrungen, die kein Lehrgang ersetzen kann. Ich wünschte mir, dass wir öfter so eine Übung hätten, auch wenn es viel Stress und lange Arbeitstage bedeutet“, sagt der 30-Jährige und widmet sich wieder ganz der Nachfluginspektion an seiner Maschine. Die hat rund 150 Arbeitspositionen. Als er fertig ist, zaubert das letzte Licht einen Bilderbuchsonnenuntergang in den afrikanischen Himmel und die Tore des Hangars werden wieder zugeschoben.

Tornado mit Taurus. (Quelle: Luftwaffe/A. Bienert)

 

*Name aus Sicherheitsgründen geändert!

 

Autor: Ute Birgit Kindler/Luftwaffe

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