„Redhawk, Redhawk, Eagle flight as fragged“, schallt es aus den Lautsprechern. Es sind zwei spanische F/A-18 aus Ämari, die sich über Funk melden. Oberleutnant Sven Wiese hat schon darauf gewartet. Seit dem Take-off sieht er die beiden Kampfjets auf seinem Radarschirm. Wiese ist Jägerleitoffizier – oder Aircraft Controller. Über Headset spricht er mit Luftfahrzeugen, denen er Anweisungen zu Geschwindigkeit, Höhe und Flugrichtung gibt.
Im fensterlosen Battle Management Container sind alle hoch konzentriert. Nur rund 20 Quadratmeter stehen für vier Arbeitsplätze zur Verfügung, darunter zwei für die Jägerleitoffiziere und ihre Assistenten. Der Raum ist nur mäßig beleuchtet. Für Oberleutnant Sven Wiese ist der Container ein zweites Wohnzimmer. Kurz nach dem Check in der Piloten antwortet er über Funk: „Cobra flight, loud and clear, radar contact, squawk 6104 in sequence.“
„Das ist immer der erste Schritt. Wir überprüfen die Qualität der Funkverbindung und den Radarkontakt auf unseren Bildschirmen. Dann folgt der squawk – das ist der vierstellige Transpondercode, mit dem sich ein Luftfahrzeug bei den Bodenstationen identifiziert.“ Begeistert spricht der 30-Jährige von seinem Beruf. Nachdem der Offizier den Piloten die Freigaben für ihre Lufträume erteilt hat, beginnen die Abfangansätze. „Hier trainieren wir mit je zwei Fliegern. Einer ist der Gejagte – das Target, der andere der Jäger – oder Fighter. Daher auch unsere Berufsbezeichnung“, erläutert Wiese. Bei dieser Art Mission trainieren sowohl die Piloten, als auch die Jägerleitoffiziere den möglichen Ernstfall.
Ohne Englisch geht nichts
Target, squawk, fighter, aircraft oder controller sind englische Begriffe. Soldaten im Einsatzführungsdienst nutzen aber noch viel mehr englischsprachige Ausdrücke, wenn sie ihre Arbeit beschreiben. In der Fliegersprache werden englische Formulierungen, Begriffe und Codes einheitlich von Piloten, Fluglotsen und der Flugsicherung genutzt.
„Zuhause ist, wo das Herz eine Heimat findet“
Auch Wiese besuchte nach seiner Ausbildung zum Offizier den Lehrgang für Luftfahrtenglisch. In dieser Zeit hat er seine Freundin kennengelernt. Die beiden leben seit mittlerweile zwei Jahren in ihrer gemeinsamen Wohnung in Jessen. Das beschauliche Örtchen im Landkreis Wittenberg liegt in der Nähe seines Heimatverbandes – dem Einsatzführungsbereich 3. „Wenn es nach mir ginge, würde ich hier gerne länger bleiben“, erzählt der gebürtige Berliner. Damit meint er die Einsatzführungsstaffel 33 der Einsatzgruppe verlegefähig. Seit mittlerweile vier Jahren arbeitet er hier als Jägerleitoffizier: „Das passt alles prima für uns.“ Er würde gerne Berufssoldat werden. Seine Bewerbung habe er bereits eingereicht. Für insgesamt sechs Wochen ist Wiese nun in Lielv?rde für die Sicherheit im Luftraum zuständig. Rund 120 Soldaten der Einsatzgruppe verlegefähig des Einsatzführungsbereichs 3 aus Holzdorf sind mit ihrem DCRC in Lettland. Sie verstärken das Integrierte Luftverteidigungssystem der NATO über dem Baltikum. In Lielv?rde teilt sich Wiese eine Stube mit seinem Assistenten – dem Aircraft Controller Assistant. „Wir haben auch dieselben Schichten, daher klappt das ganz gut.“ Mal sei der eine Aircraft Controller, mal der andere, berichtet er. „In der Stube kann man es super aushalten. Eigentlich ist diese für vier Bewohner ausgelegt. Daher hat jetzt jeder von uns beiden ein Etagenbett für sich. Genug Platz, um ausreichend Privatsphäre zu haben.“
Interkulturelle Kompetenz durch Eigeninitiative
„Uns wird ein sehr gutes Ausgleichsprogramm geboten“, erläutert Wiese. „Bei einer Runde Sport kann man den Kopf gut frei bekommen, beim Einkaufen in den nahegelegenen Städten nach Dienst etwas die Seele baumeln lassen oder bei Kicker, Dart und Tischtennis in unserer Verleg-Bar einen gemütlichen Abend verbringen.“ Die Verleg-Bar ist das durch die Soldaten selbstgebaute Zelt, in dem laut Wiese der Teamgeist gestärkt wird. „Seit den ersten Verlegungen sei hier noch einmal richtig viel geschaffen worden“, so der Jägerleitoffizier und erklärt: „Das ist mittlerweile richtig beeindruckend geworden. Die Amerikaner und Letten kommen ebenfalls gerne zu uns. Bei uns findet man immer Anschluss, besonders wenn man nicht verschlossen ist.“
Eine Allianz, die funktioniert
Der deutsche Gefechtsstand in Lettland ist Teil der sogenannten Rückversicherungsmaßnahmen. Auf dem NATO-Gipfel in Wales wurde unter anderem beschlossen, dass eine sichtbare Präsenz durch rotierende Kräfte im Baltikum stationiert werden soll: Persistent Presence. Noch bis Ende Juni 2017 werden Oberleutnant Wiese und seine Kameraden die baltischen Staaten unterstützen. Die nächste große Bewährung für die Einsatzgruppe verlegefähig steht bereits jetzt an. Das DCRC wird wechselweise für die beiden stationären Gefechtsstände in die NATO-Luftverteidigung eingebunden. Deren Gefechtsstandsysteme erhalten nacheinander eine Modernisierung. Der Job bleibt zwar derselbe aber für Wiese ist klar: „Die Situationen, denen wir täglich begegnen, sind immer individuell. Das erfordert hohe Flexibilität, eine gute Konzentration und eine schnelle Entscheidungsfindung.“ Nur so könne die Sicherheit im Luftraum erhalten bleiben.
Autor: Andreas Remmel/Luftwaffe