14 Hubschrauber und fast 500 Soldaten üben Befreiungsmanöver, Schießen mit Bordwaffen und Formationsflüge bei Tag und Nacht. Auf der Pápa Air Base in Ungarn koordinieren Besatzungen und Spezialkräfte aus fünf europäischen Nationen gemeinsame Luftkampfoperationen und Einsatzverfahren.
Ein kalter Wind zieht durch den Laderaum der CH-53. Die Laderampe des deutschen Hubschraubers ist weit geöffnet und der Blick nach unten zeigt den türkis-blauen Balaton in Ungarn. Hinter der CH-53 sieht man undeutlich durch den Abgasstrahl ein Dutzend weitere Hubschrauber. Sie kommen aus Deutschland, Österreich, Ungarn, Belgien und Slowenien. Für die Übung FIRE BLADE 2017 sind sie auf die Pápa Air Base nach Ungarn gereist. Beteiligt sind knapp 500 Soldaten. Es geht darum, gemeinsam Luftkampfoperationen zu üben, bei Tag und Nacht mit Bordwaffen zu schießen und in gemeinsamen Geiselbefreiungsmanövern zu fliegen.
Die Übung wird von der europäischen Verteidigungsagentur EDA (European Defence Agency) organisiert und dauert zwei Wochen. Das deutsche Kontingent ist mit 74 Männern und Frauen nach Ungarn gereist. Sie kommen aus der Lufttransportgruppe des Hubschraubergeschwaders 64 (LTGrp HSG 64). Die Crews sind mit ihren Hubschraubern in drei Stunden Flugzeit und zwei Tankstopps direkt eingeflogen. Der Großteil des Materials wurde durch das Beelitzer Logistikbataillon 171 und eine zivile Spedition zur Pápa Air Base gebracht. Auf zehn Lkw‘s wurden insgesamt 16 Seecontainer, Stromgeneratoren, Klima- und Heizaggregate und Geräte für das Bodenpersonal transportiert. Mehr als 40 Soldaten flogen mit dem neuesten A400M vom heimischen Standort ebenfalls direkt auf die Air Base.
Drei Monate Vorbereitung für drei Wochen Übung
Für die Reise an den Balaton musste allerdings einiges vorbereitet werden. Einer der Hauptverantwortlichen für die gesamte Logistik ist Hauptfeldwebel Sebastian Bahr. „Allein die logistische Planung für die Übung dauerte knapp drei Monate. Drei Wochen vor Abflug haben wir dann gewogen, gezählt und alles verpackt“, sagt der 37-Jährige. „In Verlegepaketen haben wir sämtliche Werkzeuge und Ersatzteile für die Übung verstaut. Dafür haben wir sogar drei Kühlcontainer, die empfindliche Ersatzteile bei einer konstanten Temperatur von 15 Grad halten.“
Leben aus dem Container und Zelt
Als logistische Hilfe gibt es in Ungarn quasi nur den Treibstoff für Hubschrauber und Generatoren. Ansonsten arbeiten die Soldaten völlig autark in ihren Zelten direkt neben dem Rollfeld. „Solche multinationalen Übungen schweißen zusammen“, sagt Kontingentführer Oberstleutnant Frank Wittemann. „Auch über Sprachbarrieren hinweg.“ Immer wieder tauschen sich die Soldaten der verschiedenen Nationen aus. Ob Internetzugang oder ein kleiner Gabelstapler, der zum entladen der Container mal „verliehen“ wird. Alle helfen sich hier gegenseitig. Hauptfeldwebel Bahr ist während der Übung doppelt wertvoll für die fliegenden Besatzungen. Er ist ausgebildet, Außenlasten unter der CH-53 anzuhängen. Dabei schwebt der Zwölf-Tonnen-Hubschrauber nur wenige Zentimeter über seinem Kopf, wenn er zum Beispiel den Feuerlöschbehälter in den Lasthaken einhängt. So kann Wittemann mit seinen Piloten neben den Übungsmanövern noch Ausbildungsflüge für die Besatzungen einplanen. „Der Vorteil hier in Ungarn ist, das Flughafenfeuerwehr, Fliegerarzt und die Öffnungszeiten des Towers von der Gastgebernation koordiniert werden“, sagt Wittemann. „Das spart Zeit, um sich auf andere Aufgaben zu konzentrieren.“ Denn zusätzlich trägt er auch die Verantwortung, bei einer großen Evakuierungsoperation eines Krankenhauses, Führer der gesamten Mission zu sein. Dabei sind Hubschrauber aus allen fünf Nationen und Spezialkräfte aus Ungarn und Österreich beteiligt.
Der gemeinsame Kampf
Wittemann erklärt das Vorgehen auf dem Übungsgelände: „Die deutsche CH-53 bringt in einer ersten Welle ungarische Infanteristen zum Krankenhaus. Diese sichern dann das Gelände ab. In einer zweiten Welle werden österreichische Spezialkräfte mit zwei Bell 212 auf dem Dach des Krankenhauses abgesetzt. Die bereiten dann Patienten und Pflegepersonal auf die Evakuierung vor. In einer dritten Welle landen eine ungarische Mi-8 und eine slowenische Bell 412 vor dem Krankenhaus, nehmen die Patienten und Pfleger auf und fliegen sie weg. Am Ende werden die Österreicher wieder von ihren Bells und die Ungarn von der deutschen CH-53 abgeholt.“ Die gesamte Operation dauert weniger als eine Stunde.
Autor: Philipp Rabe/Luftwaffe
Warum die Nationen gemeinsam üben:
In Krisengebieten wie zum Beispiel in Afghanistan sind die Mittel der Bündnisstaaten begrenzt. Oft fehlt ein entsprechendes Besatzungstraining für bestimmte Missionen, die technische Ausstattung ist nicht ausreichend oder die Herausforderungen der logistischen Unterstützung sind zu hoch. In Ungarn lernen die Hubschrauberbesatzungen und verschiedene Spezialkräfte, mit den Fähigkeiten anderer Nationen umzugehen. Das schafft Vertrauen und bildet eine gute Basis für gemeinsame Einsätze. Die Übung FIRE BLADE 2017 ist Teil des Helikopter-Trainingsprogramms (Helicopter Exercise Programm – HEP) der EDA [Akronym: European Defence Agency]. Die Befreiungsübung im Krankenhaus von Ruin City ist eine sogenannte COMAO (Composite Air Operation). Eine multinational taktische Ausbildung, bei der die Teilnehmer gemeinsam ihre Missionen planen und durchführen. Bei den COMAO´s werden unterschiedliche Ausbildungsstände angepasst, der gemeinsame Kampf wird geübt.