Der Morgen graut, über dem Flugfeld peitscht der Wind, als Piloten der deutschen Luftwaffe sich auf ihre bevorstehende Mission vorbereiteten. Es soll die erste sein, in der von Deutschland geführten Luftwaffengroßübung Air Defender 23, an der sich 25 Nationen und circa 250 Flugzeuge beteiligen. Doch was genau sind die Voraussetzungen und wie sieht die Vorbereitung dazu aus?
Herzstück jeder Planung, um eine Mission zu fliegen, ist die Air Tasking Order (ATO), ein detailliertes Dokument, das die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der einzelnen Piloten und der Besatzungen während der auszuführenden Luftoperationen beschreibt. Als Scharnier zwischen der strategischen Zielsetzung und der taktischen Ausführung spielt eine entscheidende Rolle bei der Planung und Durchführung von Luftmissionen innerhalb der NATO und damit auch der Übung Air Defender.
Auf Basis der ATO steigen die Piloten gedresst in Fluganzügen und multifunktionalen HEAHead Equipment Assembly-Helmen, mit dem Eurofighter-Piloten ihre Flugdaten und das Geschehen im Luftraum im Auge behalten und zugleich die Zieleinrichtung per Spracherkennung und -Steuerung lenken können, in ihre Cockpits und bereiteten sich auf den Start vor. Die Mission ist klar definiert – Schutz der eigenen Kräfte aus der Luft, also das Erringen der Luftüberlegenheit im Operationsgebiet. Die Piloten haben die Aufgabe, potenzielle Ziele zu identifizieren, Angriffe durchzuführen und alle an dem Einsatz beteiligten Kräfte, ob am Boden oder in der Luft, mit Echtzeitinformationen zu versorgen.
Klarmachen der Aufgabe im Team
Die ATO entsteht in einem komplexen Verfahren und setzt auf präzise Planung. In der Fighter OPS, der Operationszentrale auf dem Fliegerhorst, laufen die taktischen Vorbereitungen zusammen. So auch derzeit auf dem Fliegerhorst Jagel. Hier haben die deutschen Gastgeber, das Taktische Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“, jeweils drei Briefingräume und drei Planungsräume eingerichtet, für jeden Übungsraum einen. Dort kommen je nach Szenario die zugeteilten Besatzungen der Mission zusammen. Der Ablauf der Einweisung, auch Briefing genannt, orientiert sich immer an dem gleichen Schema: Als erstes kommen die Meteorologen zu Wort. Nachdem die Rahmenlage mit den tagesaktuellen Besonderheiten bekannt gegeben wird, briefen sich die Besatzungen untereinander. Ab jetzt wird es scharf, die Jets starten und unter der Leitung des zugeordneten Control and Reporting Centre (CRC) steuern die Piloten auf den Übungsraum zu. Sie folgen nun den vorgegebenen Flugrouten gemäß dem Einsatzbefehl – der ATO.
400 Seiten Information
Die ATO schaffen klare Strukturen und Vorgaben, um die Zusammenarbeit und Koordination zwischen den beteiligten Flugzeugen und aber auch den Bodentruppen und Marineeinheiten zu gewährleisten. Sie kann bis zu 20.000 Schreibmaschinenzeilen umfassen – eine Seite wird in der Standardschriftgröße mit 50 Zeilen beschrieben. Darin enthalten sind unter anderem Flughöhen, Koordinaten der Treffpunkte mit Tankflugzeugen und die erwarteten Feindkräfte. Die ATO zu lesen, den jeweiligen Auftrag erfassen, ihre Aufgaben zu verstehen und zu verinnerlichen, hilft den Piloten, ihre Mission erfolgreich auszuführen. Die Piloten müssen nicht nur mit technischen und taktischen Aspekten umgehen, sondern auch mit dem Druck, in einem dynamischen und gefährlichen Umfeld Entscheidungen zu treffen.
Dabei ist die Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Die Piloten nutzen die ihnen zugewiesenen Frequenzen und Codierungen, um sicherzustellen, dass sie effektiv miteinander und mit den Bodenkontrollzentren kommunizieren können. Während des Fluges bleiben die Piloten wachsam, ständig auf der Suche nach potenziellen Bedrohungen. Ihr Situationsbewusstsein ist geschärft, während sie den Himmel beobachten. Für den Umgang mit möglichen Feindseligkeiten helfen die Einsatzregeln der ATO ihnen, taktisch richtige Entscheidungen im Einklang mit der Gesamtlage zu treffen. Jedem Flugtag ist ein Planungstag vorgeschaltet. Der Übungsraum Deutschland erfordert extrem viel Koordination. Jeder Pilot muss genau wissen, was er zu tun hat, denn in der Luft gibt es genug dynamische Prozesse, die die Piloten klar analysieren und einordnen müssen. Das heißt in der Vorbereitungsphase: Bei kleinsten Unklarheiten kommen die Crews erneut zusammen und stimmen sich ab: Bis die Mission steht.
Das Team zählt
Als sie ihr Zielgebiet erreichen, arbeiteten die Piloten eng mit einem Awacs- Luftraumaufklärer zusammen. Dieser kann aus mehr als 400 Kilometer Entfernung Feindziele erkennen und sie den Jets zuweisen. Aufklärer und Eurofighter koordinierten ihre Aktionen, um die Ziele präzise zu bekämpfen und so den Himmel von gegnerischen Kräften freizuhalten.
Die Mission ist anspruchsvoll und intensiv. Die Piloten fliegen mehrere Stunden lang, immer bereit, auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren und schnell zu handeln. Sie wissen, dass ihr Erfolg davon abhängt, wie gut sie die Aufträge ihrer „Mission-Bibel“, der ATO-Anweisungen umsetzen und wie exakt sie als Team zusammenarbeiten.
Hohe Anforderungen plus hartes Training gleich Effektivität
Kurzum. Die ATOs sind das Rückgrat der Luftoperationen der NATO, und die Piloten sind die Helden am Himmel, die diese Missionen zum Erfolg führen. Die Einsatzbefehle werden immer komplexer und anspruchsvoller, da neue Technologien und Taktiken Einzug halten. Die Piloten müssen sich konstant mit den neuesten Entwicklungen vertraut machen und ihre Fähigkeiten kontinuierlich verbessern, um den hohen Anforderungen gerecht zu werden. Intensive Trainingsprogramme und Simulationen werden durchgeführt, um realistische Szenarien nachzustellen und die Piloten auf verschiedene Einsatzszenarien vorzubereiten. Mit ihrem Mut, ihrer Entschlossenheit und ihrer Expertise werden sie auch in Zukunft eine zentrale Rolle bei der Planung und Durchführung militärischer Luftmissionen spielen. Die NATO-Luftstreitkräfte und ihre Verbündeten bleiben kontinuierlich bestrebt, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ihre Effektivität zu steigern, um den sich wandelnden Bedrohungen gerecht zu werden. Die Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Mitgliedsstaaten des Bündnisses sind von entscheidender Bedeutung, um die Effektivität der Luftoperationen zu maximieren. Gemeinsame Übungen und Trainings ermöglichen es den Piloten, sich aufeinander abzustimmen und effizient zusammenzuarbeiten. Dabei helfen eine gemeinsame Sprache, einheitliche Standards und geeignete Technik. Durch den Austausch bewährter Verfahren und die Harmonisierung von Kommunikations- und Koordinationsprozessen wird sichergestellt, dass die NATO-Luftstreitkräfte als Einheit auftreten und ihre Aufgaben erfolgreich erfüllen können. Eine weitere wichtige Komponente bei der Planung einer militärischen Luftmission ist die Auswertung nach Abschluss der Operation. Durch eine gründliche Analyse der durchgeführten Aktionen, der erreichten Ziele und der gemachten Erfahrungen können Verbesserungspotenziale identifiziert und in zukünftige ATOs integriert werden. Diese kontinuierliche Lernkurve trägt dazu bei, die Effizienz und Effektivität der Luftoperationen weiter zu steigern.
Mit anspruchsvoller Vorbereitung zu mehr Sicherheit im Bündnis
Es ist wichtig anzumerken, dass die Planung einer militärischen Luftmission ein komplexer Prozess ist, der von vielen Faktoren abhängt. Neben den ATOs müssen auch politische Entscheidungen, strategische Ziele, geografische Gegebenheiten und die Verfügbarkeit von Ressourcen berücksichtigt werden. Die Planung einer Mission erfordert ein hohes Maß an Expertise, eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen und eine gründliche Analyse der Lage.
Insgesamt bleibt die Planung einer militärischen Luftmission eine anspruchsvolle Aufgabe, die eine umfassende Vorbereitung, Koordination und Zusammenarbeit erfordert. Die ATOs spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie den Rahmen und die Anweisungen für die Durchführung der Mission festlegen. Die Piloten der NATO-Luftwaffen sind dabei die Schlüsselfiguren, die mit ihrem Fachwissen, ihrer Disziplin und ihrem Mut die Missionen erfolgreich umsetzen und so zur Sicherheit und Verteidigung der NATO-Mitgliedsstaaten beitragen.
Nachbesprechung als Blick nach vorn
Nach Abschluss der Mission kehren die Piloten zu ihrer Basis zurück. Doch der Tag ist noch nicht vorbei, denn die Nachbereitung, das sogenannte Debriefing stehen an. Jeder Pilot musste einen detaillierten Bericht über seine durchgeführten Aktionen und Beobachtungen verfassen. Diese Berichte sind von großer Bedeutung, denn sie dienen nicht nur der Dokumentation, sondern auch der Analyse und Auswertung der Mission. Gleichzeitig werden durch den Führer des Operationsraumes, den Airboss die Checkfiles ausgewertet. Das sind Datensätze, vergleichbar mit einer Blackbox in einem zivilen Flugzeug, sie werden ausgelesen und zu einem gemeinsamen Lagebild zusammengefügt. Anhand dessen wertet in der Nachbesprechung die Crew die Ergebnisse der Mission aus. Die Piloten tauschen ihre Erfahrungen aus, besprechen Schwachstellen und Möglichkeiten zur Verbesserung. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen fließen in die Entwicklung neuer Taktiken, Techniken und Verfahren ein, um zukünftige Missionen effektiver zu gestalten.
von Thomas Skiba/Bundeswehr