Fliegerische Ausbildung im Wandel

Mit der Neueinführung eines Dualen Studiengangs im Bereich der fliegerischen Ausbildung wird sich auch die Ausbildung an der 9./OSLw, der derzeitigen Wiege der fliegerischen Ausbildung für Luftwaffe und Marine, ändern.

 

Fürstenfeldbruck/ Berlin – Seit vielen Jahren ist die „Neunte“, wie die 9. Inspektion der Offizierschule der Luftwaffe auch kurz genannt wird, erste Anlaufstelle für Anwärter des Fliegerischen Dienstes. Im Rahmen der vorfliegerischen Ausbildung nehmen die Anwärter des Fliegerischen Dienstes an einem achtwöchigen, fliegerenglischen Fachlehrgang (US Qualification Course) teil. Danach findet das fünfwöchige Initial Flying Training 1 (IFT) mit einem Theorieblock statt, das vergleichbar ist mit der Theorie für den zivilen Privat-Pilotenschein (PPL). Aerodynamik, Flugzeugsysteme, Flugplanung, Navigation, Wetterkunde, Funkverkehr und Flugsicherheit stehen auf dem dicht gestaffelten Programm. Alle Tests müssen dabei mit mindestens 85 Prozent bestanden werden. Verfahrensabläufe und Notfallverfahren werden mit Checkliste eingeübt, so dass die Anwärter bestens auf die fliegerpraktische Erstausbildung des IFT Phase 2 bei der 3. Deutschen Luftwaffenausbildungsstaffel USA in Goodyear / Arizona vorbereitet sind. Darüber hinaus durchlaufen die angehenden Fliegenden Besatzungen während ihrer Zeit bei der 9./OSLw auch zwei einwöchige Lehrgänge in Königsbrück mit einem Flugphysiologischen Training in Druckkammer und Zentrifuge, sowie bei der Marine in Nordholz, wo sie den Überlebenslehrgang See absolvieren müssen. Danach geht es dann entweder direkt zum IFT der Phase 2 mit dem ersten fliegerischen Lehrgang auf Grob 120A in den Südwesten der USA oder Truppenpraktikum und Jahresurlaub werden dazwischen noch eingeschoben, je nach Verfügbarkeit der Lehrgangsplätze.
Vielfältige Aufgaben und große Herausforderungen
So formuliert es Oberstleutnant Andreas Paulick (40), Inspektionschef der 9./OSLw: „Neben unserem Kernauftrag mit dem IFT 1 hat die 9./OSLw noch eine Reihe weiterer Aufgaben. Wir sind verantwortlich für die Ausbildung des gesamten Flugsicherheitspersonals der Bundeswehr und führen darüber hinaus Seminare, Tagungen und eine Reihe von Sonderlehrgängen durch. Dazu gehören unter anderem Langstreckennavigation und Seminare für Fluglehrpersonal in Rahmen des Crew Ressource Managements (CRM). Weiterhin sind wir administrativ verantwortlich für unterschiedliche Sprachkurse Luftfahrtenglisch, die fachlich vom Bundessprachenamt geleitet werden. Personal des Einsatzführungsdienstes, Flugkontrollpersonal, Fliegerleitoffiziere (FAC – Forward Air Controller) und Flugzeugführer für Drohnen (RPA – Remotely Piloted Aircraft) werden so auf ihre weiteren Fachlehrgänge vorbereitet. Mit den Lehrgängen im Rahmen des IFT 1 und rund 14 weiteren Lehrgängen, Seminaren und Tagungen hat die Inspektion ein reichhaltiges Programm.“ Als erfahrener Tornado-Pilot und Fluglehrer auf T-37 Tweet und T-6 Texan II beim Euro NATO Joint Jet Pilot Training (ENJJPT) in Sheppard Air Force Base / Texas blickt Oberstleutnant Paulick auf über 2800 Gesamtflugstunden zurück. Seit er im Sommer 2013 die 9./OSLw als Inspektionschef übernommen hat, gab es bereits einige Veränderungen für die traditionsreiche Fluganwärter-Inspektion doch weitere Umstrukturierungen stehen bereits fest. „Nach dem Umzug innerhalb des Fliegerhorstes Fürstenfeldbruck im vergangenen Jahr sind die Veränderungen für die 9./OSLw noch nicht vorbei. Durch Einbindung der fliegerischen Ausbildung der Bundeswehr ab 2015 in den Dualen Studiengang Aeronautics an der Universität der Bundeswehr in München (UniBw) werden wir unmittelbar betroffen sein. Angesichts der noch verbleibenden Zeit und den anstehenden Aufgaben haben wir ein strammes Programm vor uns“ meint Oberstleutnant Paulick.

 

Neue Wege
Die Ausbildung des Fliegenden Personals der Bundeswehr wird zukünftig als Teil des neuen Dualen Studienganges Aeronautics in ein vierjähriges Studium im Fachhochschulbereich der UniBw München integriert. Ab Herbst 2015 werden die ersten Anwärter für den Fliegerischen Dienst in der Bundeswehr die Möglichkeit haben den Bachelor Studiengang „Aeronautics“ zu belegen. Dazu sind in diesem Sommer die ersten Offizieranwärter für den Fliegerischen Dienst in die Luftwaffe eingeplant. Mit regulärer dreimonatiger Grundausbildung und dem siebenmonatigen Offizierlehrgang an der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck legen sie den Grundstein für ihre weitere Laufbahn, bevor sie in den vierjährigen Dualen Studiengang Aeronautics einsteigen.

 

Attraktivität
Mit der Schaffung dieses neuen Studienganges Aeronautics verfolgt die Luftwaffe einerseits das Ziel den Anwärtern des Fliegerischen Dienstes der Bundeswehr eine akademische Bildung auf Bachelor-Niveau mit der zeitversetzten Option zum Erwerb des Master Abschlusses zu ermöglichen, andererseits soll die fliegerische Ausbildung gestrafft werden und als praktischer Anteil in das Studium integriert werden. Mit diesem Konzept soll ein nutzbringender Synergieeffekt genutzt werden, der ein luftfahrtbezogenes Studium mit der fliegerischen Ausbildung verbindet. Zielsetzung ist es die Laufbahnen des Fliegerischen Dienstes attraktiver zu gestalten und mit einem vielseitigen praxisorientierten Studiengang wettbewerbsfähig zu bleiben. Diesem neuen Modell in der Bundeswehr hat sich die Marine für ihre fliegenden Besatzungen gleichermaßen angeschlossen und wird ebenfalls Studenten in diese Laufbahn schicken.

 

Erfolgskonzept
Das Duale Studiengänge in der heutigen Zeit ein Erfolgskonzept sind zeigt sich nicht nur im zivilen Bereich und der freien Wirtschaft, sondern auch in den beiden Pilotprojekten der Luftwaffe an der Fachhochschule (FH) in Bremen und an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur / Schweiz. Seit Herbst 2011 studieren in Bremen Transportflugzeugführer den Internationalen Studiengang für Luftfahrtsystemtechnik und Management (ILST), während weitere Anwärter für den Fliegerischen Dienst an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur / Schweiz den Studiengang Aviatik belegen. Noch in diesem Jahr kehren die ersten Absolventen mit abgeschlossenem Studium und CPL/ATPL (Commercial Pilot License/Airline Transport Pilot License) nach Deutschland zurück.

 

Aeronautics
Für den neuen Dualen Studiengang an der UniBw München ist eine Gesamtzeit von vier Jahren vorgesehen. Vorgeschaltet ist ein zweimonatiger Mathematikvorbereitungskurs, der Voraussetzung für den Studienbeginn sein wird. Das Studium gliedert sich danach in vier Module. Dazu gehören:

  • Grundlagen Mathematik und Physik,
  • Luftfahrttechnische Inhalte, wie beispielsweise Aerodynamik, Flugantriebe oder Flugzeugsysteme.
  • Wirtschaftswissenschaftliche Inhalte, u.a. mit Betriebswirtschaftslehre, Projektmanagement und Unternehmensführung.
  • Fliegerische Ausbildung mit Theorie und Praxis.

Die fliegerische Ausbildung unterteilt sich dann, wie bisher, in eine Fliegerische Erstausbildung und die fliegerische Grund- und Fortgeschrittenenausbildung. Zu Beginn des Studiums werden die Anwärter Fliegerischer Dienst mit dem Initial Flight Training (IFT) eine Fliegerische Erstausbildung durchlaufen, wie sie derzeit in Fürstenfeldbruck bei der 9. Inspektion der Offizierschule der Luftwaffe (IFT Phase 1) mit der Fliegertheorie und in Goodyear bei der 3. Deutschen Luftwaffenausbildungstaffel USA (IFT Phase 2) mit Flugtraining auf Grob 120A durchgeführt wird. Diesem ersten Teil des Studiums mit sechs Monaten Dauer folgt für zwei Jahre der akademische Block mit sechs Trimestern im Fachhochschulbereich der Universität der Bundeswehr in Neubiberg vor den Toren von München.

 

Studium und Flugsimulator
Besonderheit wird dabei sein, dass studienbegleitend ein Flugsimulatortraining vorgesehen ist, das die beim IFT 2 in Goodyear gewonnenen fliegerischen Fertigkeiten aufrechterhält, festigt und ausbaut. Darüber hinaus ist geplant die Flugsimulatoren in die wissenschaftliche Ausbildung zu integrieren. Durch diese enge Verzahnung zwischen fliegerischer Praxis und wissenschaftlichen Lehrinhalten wird auch der Theorie-Praxis-Gedanke des Dualen Studiums unterstrichen. Derzeit wird dazu ein Anforderungskatalog erstellt und entsprechende Simulatorlösungen werden geprüft, um diese zeitgerecht zuführen und in Betrieb nehmen zu können. Aber auch personell wird sich einiges tun, denn sowohl Fluglehrpersonal und Simulatorlehrer als auch Dozenten und wissenschaftliche Mitarbeiter müssen an der UniBw vorhanden sein. „Zu den derzeit 14 Leuten Stammpersonal in der 9./OSLw müssen weitere Dienstposten hinzukommen“, erklärt Oberstleutnant Paulick und fügt hinzu: „Dabei müssen die Fluglehrer von der amerikanischen Federal Aviation Agency (FAA) zertifiziert sein, damit die fliegertheoretische Ausbildung des IFT 1 für die folgende fliegerische Praxis in den USA nach amerikanischen Standards anerkannt ist. All dass erfordert einen gewissen Vorlauf, damit wir mit dem neuen Ausbildungsmodell termingerecht starten können“. Für den akademischen Teil des Studiums sind erste Professuren ausgeschrieben und weitere werden diesen Sommer folgen. Aber auch räumlich müssen noch Lösungen gefunden werden, um ein neu zu schaffendes Organisationselement an der UniBw unterzubringen, da neue Bauvorhaben erfahrungsgemäß mehrere Jahre dauern.

 

Fliegerische Grund- und Fortgeschrittenenausbildung
Nach Abschluss des akademischen Teiles des Studiums mit der Abgabe der Bachelor-Arbeit gehen die Anwärter für den fliegerischen Dienst in der Bundeswehr in die weitere Fliegerische Ausbildung. Für Jet-Piloten geht es zum ENJJPT (Euro NATO Joint Jet Pilot Training) auf die Sheppard Air Force Base nach Texas/USA, wo sie in 55 Wochen auf dem Turboprop-Trainer T-6A Texan II und auf dem Überschall-Trainer T-38C ihre militärischen Flugzeugführerschwingen erwerben. Waffensystemoffiziere (WSO), die als zweiter Mann im Cockpit für den Tornado vorgesehen sind, absolvieren ihre Navigatoren Ausbildung weiterhin auf der Pensacola Naval Air Station in Florida und Flächenflugzeugführer auf C-160 Transall, zukünftig auch Airbus A400M, bzw. P 3-C Orion werden bei der 3. Deutschen Luftwaffenausbildungsstaffel USA in Arizona und an der Verkehrsfliegerschule in Bremen durch die Lufthansa ausgebildet. Eingeschlossen ist dabei auch das Personal für Drohnen (RPA – Remotely Piloted Aircraft). Angehende Hubschrauberpiloten von Luftwaffe und Marine werden im Anschluss an das Studium der Heeresfliegerwaffenschule in Bückeburg zu geschleust. Mit erfolgreicher Beendigung der beschriebenen Fliegerischen Grund- und Fortgeschrittenenausbildung und dem Abschluss des Dualen Studienganges Aeronautics mit dem Abschlussgrad „Bachelor of Engineering (B.Eng.) werden alle Fliegenden Besatzungen ihren jeweiligen Musterschulungen zugeführt.

 

Große Chance für den Fliegerischen Dienst
Das Duale Studium ist ein Ansatz zur zeitlichen und inhaltlichen Optimierung der Fliegerischen Ausbildung mit gleichzeitiger akademischer Zusatzausbildung. Die enge Verzahnung von Praktischer Ausbildung und akademischen Anteilen bietet große Vorteile für die Verwendung der Fliegenden Besatzungen in weitergehenden Funktionen, sowohl bundeswehrintern als auch auf internationaler Ebene. Aber auch für Universität der Bundeswehr erschließt sich mit dem dualen Studiengang ein neuer Bereich und steigert die Attraktivität gegenüber dem zivilen Markt. Wichtig wird zukünftig aber auch sein, dass die Fliegenden Besatzungen der Bundeswehr neben der erlangten Expertise im akademischen Studium in ihrer weiteren fliegenden Funktion frühzeitig ausreichend trainieren können, um entsprechende fliegerische Expertise und Einsatzstatus aufbauen können, ob nun in der Luft oder in einem modernen Flug- und Taktiksimulator.

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