Fort Sill, Oklahoma und Fort Bliss, Texas, 7. November 2018. Seit nunmehr über 2 Jahren wird bei der Ausbildung zum Feuerleitoffizier am Waffensystem PATRIOT ein neuer Weg bestritten. Deutsche Luftwaffenoffiziere und US-Army Offiziere absolvieren am Standort Fort Sill in Lawton, Oklahoma einen gemeinsamen Basis-Lehrgang, bevor sich ihre Wege wieder trennen und sie an nationalen Trainingseinrichtungen auf die jeweiligen Bedürfnisse der eigenen Streitkräfte ausgebildet werden. Bei dem im November 2018 beendeten Lehrgang „Patriot Fire Control Officer 1/18“ absolvierte nun erstmals ein Offizier der US-Army auch den deutschen Anteil der Ausbildung zum Feuerleitoffizier PATRIOT am Taktischen Aus- und Weiterbildungszentrum für Flugabwehrraketen der Luftwaffe USA (TAWZ).
Basisausbildung in Fort Sill
Second Lieutenant Reed Simmons vom 3rd Battalion, 43rd Air Defense Artillery „The Legion“, traf auf alte Bekannte, als er sich am 1. August 2018 beim Taktischen Aus- und Weiterbildungszentrum für Flugabwehrraketen der Luftwaffe USA in Fort Bliss in El Paso, Texas meldete. Hier in der texanischen Wüste sollte er gemeinsam mit sieben deutschen Luftwaffenoffizieren den Lehrgang „PATRIOT Fire Control Officer 1/18 (PFCO 1/18)“ absolvieren. Zuvor hatten die acht jungen Offiziere bereits den „Basic Officer Leader Course (BOLC-B)“ an der Air Defense Artillery School der US-Army (USAADAS) in Fort Sill, Oklahoma bestanden.
Der „Basic Officer Leader Course (BOLC)”, ist die Grundausbildung der Truppenoffiziere der US-Army und besteht aus zwei Phasen (BOLC-A und BOLC-B). Die erste Phase, der BOLC-A beinhaltet das Führungstraining und die taktische Grundausbildung, da die Mehrheit der Offiziersanwärter der US-Army keine oder nur wenig militärische Grundkenntnisse besitzen.
Ziel der zweiten Phase, dem Air Defense Artillery Basic Officer Leader Course-B (BOLC-B), ist es, die Offiziere speziell auf ihrer zukünftigen Aufgabe in ihren Einheiten auszubilden. Die Ausbildung der angehenden Flugabwehroffiziere der US-Army wird in Fort Sill in Oklahoma durchgeführt. Seit 2016 ist dieser BOLC Bestandteil der Ausbildung der Feuerleitoffiziere der deutschen Luftwaffe.
Natürlich steht die waffensystemspezifische Ausbildung an den Großgeräten des Waffensystems PATRIOT, die taktische Ausbildung in Simulationsanlagen und die vielen Stunden in den Hörsälen im Vordergrund. Jedoch nutzen die Lehrgangsteilnehmer den Lehrgang auch, um Arbeits- und Denkweisen der jeweils anderen Nation zu erlernen und zu verstehen. Dabei unterstützen auch deutsche Ausbilder vom TAWZ in Fort Bliss sowie aus den FlaRak-Verbänden in Deutschland, die nach Fort Sill kommandiert werden, und dort fester Bestandteil des Ausbilderteams des Offizierslehrgangs der US-Army sind.
Deutsches Leistungsabzeichen

Die Ausbildungstage in Fort Sill waren straff ausgeplant, viel Zeit zum Verschnaufen gab es nicht. Dennoch ließen sich 60 Lehrgangsteilnehmer des BOLC-Lehrgangs für die Idee begeistern, das Abzeichen für besondere Leistungen im Truppendienst der Bundeswehr zu erwerben. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Betreuungselement des Taktischen Aus– und Weiterbildungszentrums für Flugabwehrraketen der Luftwaffe USA. Die Teilnehmer mussten sich in den Disziplinen Kleiderschwimmen, BFT, Schießen mit der Pistole P8 und dem 12-km-Leistungsmarsch beweisen. Am 3. Mai 2018 kam dann der große Moment für die erfolgreichen Teilnehmer. Der Kommandeur Bodengebundene Verbände im Luftwaffentruppenkommando, Brigadegeneral Gschoßmann, der sich zu diesem Zeitpunkt zur Fires Conference am Fires-Center-of-Excellence in Fort Sill aufhielt, übernahm gerne die Aufgabe, die Urkunden und das Abzeichen für besondere Leistungen im Truppendienst der Bundeswehr zu überreichen.
Teilziel erreicht
Second Lieutenant Reed Simmons und die sieben deutschen Luftwaffenoffiziere schlossen die Basisausbildung in Fort Sill erfolgreich ab und wurden am 14. Juni 2018 im Rahmen einer feierlichen Zeremonie ausgezeichnet. Das nun ein Offizier der US-Army gemeinsam mit seinen deutschen Kameraden auch den zweiten Teil der „deutschen FlaRak-Ausbildung“ als Lehrgangsteilnehmer miterleben durfte, ist ein Novum und erweiterte den Erfahrungsaustausch auf beiden Seiten.

Keine Zeit zum Entspannen
Zeit zum Ausruhen hatten die acht Lehrgangsteilnehmer nicht. Aufbauend auf die Grundlagenausbildung in Fort Sill wurden die sieben deutschen angehenden Feuerleitoffiziere und Second Lieutenant Simmons beim TAWZ in Theorie und Praxis an die Aufgaben ihrer zukünftigen Verwendung herangeführt. Dabei nimmt die taktische Ausbildung die meiste Zeit in Anspruch. Viele Stunden verbringen die Lehrgangsteilnehmer im sogenannten Reconfigurable Table Top-Trainer Hörsaal (RT-3), einer der Simulationsanlagen des TAWZ. Hier können zeitgleich in beiden Hörsälen bis zu acht Feuerleit-Crews ausgebildet werden, wofür ohne Simulationsanlage acht komplette Waffensysteme PATRIOT nötig wären. In der Simulation können Szenarien eingespielt und geübt werden, die in der Realität nur schwer umzusetzen sind. So können bei der Ausbildung der Feuerleitcrews des PATRIOT-Systems z.B. die Bekämpfung von taktisch-ballistischen Flugkörpern (Tactical Ballistic Missiles / TBM) ausgebildet und trainiert werden, was in der Realität ausschließlich beim jährlichen Taktischen Schießen auf Kreta möglich ist. Das Waffensystem bleibt bei der Ausbildung aber nicht außen vor. Nahezu alle Ausbildungsabschnitte werden in der Theorie, in der Simulation und anschließend am Waffensystem geschult. Der Ablauf der Ausbildung beim TAWZ in El Paso ähnelt der Ausbildung an der Air Defense Artillery School der US-Army in Fort Sill. Auch hier werden viele Ausbildungsabschnitte der Einsatz- und Kampfführung in Simulationsanlagen durchgeführt. Unterschiede gibt es bei den Ausbildungsinhalten.

Die Verfahren bei der Ausbildung und dem Einsatz des Waffensystems PATRIOT der US-Army und der deutschen Luftwaffe unterscheiden sich. Während sich die US-Army noch stark an ihre eigenen Verfahren orientiert, so konzentriert sich die Ausbildung der deutschen Flugabwehrsoldaten auf Verfahren der integrierten Luftverteidigung im Bündnis gegen das gesamte Bedrohungsspektrum. „Bring the „Air“ back to „Air and Missile Defence“, so der Kdr 32nd AAMDC, Brigadegeneral Chris Spillmann und ehemaliger Kommandeur der USAADAS aus Fort Sill, ist eine der Hauptmotivatoren aufgrund der geänderten Bedrohungslage nicht nur in Europa, warum deutsche Ausbilder bei der Offiziersausbildung an der Air Defense Artillery School der US-Army in Fort Sill aktiv mitwirken. Somit war Second Lieutenant Reed Simmons der erste Feuerleitoffizier der US-Army, der genau nach diesen Verfahren mit Schwerpunkt der integrierten LV der NATO in Gänze ausgebildet wurde.

Höhepunkt der Ausbildung
Der Höhepunkt der Ausbildung zum Feuerleitoffizier ist die Verlegeübung, die zum Abschluss des Lehrgangs durchgeführt wird. Die einzelnen Ausbildungsabschnitte, die durch die Lehrgangsteilnehmer zuvor durchlaufen wurden, sind einzelne Mosaikstein, die bei dieser Verlegeübung zusammengeführt werden. Die Technik des Waffensystems, den Auf- und Abbau, die vorbereitenden Maßnahmen zur Verlegung, die Waffensystemsoftware und die taktischen Einsatzmöglichkeiten des Waffensystems werden während des Lehrgangs einzeln betrachtet und ausgebildet. Bei der Übung müssen die angehenden Feuerleitoffiziere dann das Wissen der einzelnen Ausbildungsabschnitte abrufen und verstehen so die Zusammenhänge des Gesamtsystems. An insgesamt zehn Ausbildungstagen galt es nun, das Waffensystem PATRIOT in eine bereits zuvor erkundete Stellung im Übungsgebiet von Fort Bliss zu verlegen.
Die Anspannung bei den Lehrgangsteilnehmern war groß, da sie bei dieser Übung beweisen mussten, ob sie die einzelnen Ausbildungsabschnitte richtig zusammenfügen konnten. Die Aufgaben bei den einzelnen Verlegungen in die Wüste wurden täglich gewechselt, so dass jeder Lehrgangsteilnehmer jede Aufgabe wahrnahm. Erkundung, Feuerleitcrew, Aufbau der einzelnen Großgeräte und eine Gruppe für die Tarnung. So wurde gewährleistet, dass jeder Lehrgangsteilnehmer jede Teilaufgabe durchgeführt hat. Die Feuerleitcrew (besteht aus dem Feuerleitoffizier und dem Taktikfeldwebel) übernimmt die Führung aller anderen Teams und Gruppen.
Die Herausforderungen sind vielfältig, denn der tägliche Wechsel der Aufgabengebiete erforderte Konzentration und Fokussierung auf den Auftrag, besonders für den Lehrgangsteilnehmer der US-Army, Second Lieutenant Simmons, für den es auch trotz der durchlaufenden Ausbildung ungewohnt war, mit deutschen Fahrzeugen und Stromerzeugungsgeräten zu arbeiten. Eine besondere Herausforderung stellt die Aufgabe der Gesamtführung und -verantwortung der Einheit dar, denn dabei mussten die Lehrgangsteilnehmer nicht nur ihr Fachwissen abrufen, sondern ganz besonders ihre Fähigkeit zum Führen eines Teams unter Beweis stellen.

Geschafft
Die acht jungen Offiziere waren froh, als sie zum letzten Mal das Waffensystem des Taktischen Aus- und Weiterbildungszentrums für Flugabwehrraketen der Luftwaffe nach Fort Bliss zurückverlegen mussten. Es war geschafft.Doch bevor es zurück nach Deutschland geht, sollten die deutschen Luftwaffenoffiziere und der US-amerikanische Army-Offizier noch den verdienten Lohn ihrer langen, intensiven Ausbildungszeit in Oklahoma und Texas erhalten. Am 1. November 2018 waren alle Angehörigen des Taktischen Aus- und Weiterbildungszentrums für Flugabwehrraketen der Luftwaffe USA angetreten, um der Graduation einen würdigen Rahmen zu geben.
Ein besonderer Gast
Vor der Überreichung der Lehrgangszeugnisse und der Tätigkeitsabzeichen durch den Kommandeur Bodengebundene Verbände im Luftwaffentruppenkommando, Brigadegeneral Michael Gschoßmann, sprach ein besonderer Gast zu den Anwesenden. Für Dr. Marcus Faber, FDP, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages war es der erste Besuch bei der Luftwaffe. Erfreut zeigte sich Dr. Faber, dass er als Gastredner im Rahmen der Graduation auftreten durfte. „Ich freue mich ganz besonders heute bei Ihnen zu sein. Das was Sie hier leisten, ist die gelebte Zusammenarbeit in der NATO.“, sagte er. Dr. Faber betonte auch, dass die Arbeit der Luftwaffensoldaten am Waffensystem und im Simulator in dieser Qualität ihresgleichen sucht.

Brigadegeneral Gschoßmann beglückwünschte die jungen Offiziere und hob die Bedeutung der Kooperation mit der US-Army bei der gemeinsamen Ausbildung von Feuerleitoffizieren hervor. Besonders erfreut zeigte sich Brigadegeneral Gschoßmann, dass bei diesem Lehrgang auch ein Offizier der US-Army am deutschen Anteil der Feuerleitoffiziersausbildung teilgenommen hat. „Die Herausforderungen der heutigen Zeit können nur multinational bewältigt werden. Eine gemeinsame Ausbildung ist der perfekte Start für eine erfolgreiche multinationale Zusammenarbeit.“ Im Anschluss der Zeremonie hatten die erfolgreichen Feuerleitoffiziere noch die Gelegenheit, Brigadegeneral Gschoßmann, Oberst Noeske und Oberstleutnant Scharschmidt, bei einem gemeinsamen Mittagessen von ihren Erlebnissen und Erfahrungen während des Lehrgangs zu berichten.
Hohe Qualität
Der Ehrengast aus Berlin besichtigte nach Graduation die Ausbildungseinrichtungen des TAWZ. Dr. Faber informierte sich bei einem Rundgang von den Möglichkeiten des „Reconfigurable Table Top Trainer“ (RT-3 Simulator) und des Surface-to-Air Missile Operation Center (SAMOC). Auch das Waffensystem des TAWZ besichtigte der Gast aus Berlin. Moderne und zeitgemäße Ausbildung bedeutet auch, dass verschiedene Medien zur Unterstützung der Ausbildung genutzt werden. Neben den waffensystemtypischen Simulatoren wie der RT-3 oder SAMOC wird beim TAWZ auch die computerunterstützte Ausbildung genutzt. Der Bereich Ausbildungsunterstützung des TAWZ erstellt dazu zusammen mit Ausbildern Videoclips und Animationen, die den Lehrgangsteilnehmern neben dem klassischen Unterricht und der praktischen Ausbildung zusätzliche visuelle Hilfen geben, den Ausbildungsstoff zu verstehen. Dr. Faber zeigte sich beeindruckt von der Ausbildung und betonte, dass die Arbeit der Luftwaffensoldaten des TAWZ am Waffensystem und im Simulator in dieser Qualität ihresgleichen sucht.

Gemeinsame Ausbildung
Die Möglichkeiten, die sich durch die gemeinsame Ausbildung ergibt, sind immens. Sowohl die Lehrgangsteilnehmer der deutschen Luftwaffe und der US-Army, als auch die Ausbilder beider Nationen, sind perfekte Multiplikatoren, die die gemeinsamen Erfahrungen und Erkenntnisse des Feuerleitoffizier-Lehrgangs in ihre jeweiligen Flugabwehreinheiten oder auch in ihre Ausbildungseinrichtungen mitnehmen und nutzen können. Bei späteren gemeinsamen Übungen oder auch Einsätzen treffen so nicht nur alte Bekannte aufeinander, sondern Flugabwehroffiziere, die einen wesentlichen Vorteil haben: Die gemeinsame Ausbildung!

Text: OStFw Peter Breuer, Bilder: OStFw Peter Breuer, Hptm Michael Niedermeier