Der Flugplatz des Hubschraubergeschwaders 64 in Laupheim bot für den ersten Pilotlehrgang „Ergänzungsmodul AirMedEvac-Personal CH-53“ ideale Bedingungen. Geschult wurden sechs Trainingsteilnehmer aus verschiedenen Bereichen des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr, um im Ernstfall Leben retten zu können.
Die bisherigen Arbeitsplätze der Trainingsteilnehmer beschränkten sich meist auf Flächentransportflugzeuge wie C-160, A400M oder A310 MRTT. Diese wirken gegenüber dem eher rustikal anmutenden Arbeitsplatz in einer CH-53 vielmehr dem eines klinisch gesäuberten Operationssaales.
Neu war für die Teilnehmer nicht nur der Umgang mit dem Hubschrauber selbst, sondern auch die Arbeit im taktischen Umfeld – sowohl am Boden als auch in der Luft. Das erforderte nicht selten ein hohes Maß an Improvisationstalent, sondern auch ein völlig neues Verständnis gegenüber den bisher gemachten Erfahrungen im Bereich der Flächenflugzeuge.
Nichts für „Powerpoint-Fetischisten“ – ab ins Gelände!
Schon nach dem ersten Tag stand fest: Diese Ausbildung ist nicht von Powerpoint-Vorträgen geprägt. Natürlich wurden Ausbildungs- und Einsatzgrundsätze, Sicherheitsbestimmungen, Grundlagen zu Kommunikationsmitteln und Flugmedizin in gemütlicher Atmosphäre von einsatzerfahrenem Personal auch im Hörsaal gelehrt. Der Ausbildungsschwerpunkt sollte jedoch in der praktischen Umsetzung des theoretisch Vermittelten liegen. „Wir brauchen Kameraden, die sich in der Praxis bewähren, daher bilden wir hier getreu dem Leitsatz ‚Train as you fight‘ aus“, erklärte Hauptfeldwebel Sebastian S. in seiner Funktion als Ausbilder und Koordinator.
Für die Ausbildung kann das Wetter nicht schlecht genug sein
„Die Teilnehmer müssen während der Ausbildung lernen, dass man vor Ort nicht immer optimale Bedingungen vorfindet – und das Laupheimer Wetter leistet hier einen guten Beitrag dazu“, sagt Hauptman Karl R. Als einsatzerfahrener Luftfahrzeugkommandant kennt er aus vielen Auslandseinsätzen die bevorstehenden Herausforderungen für das Sanitätspersonal des AirMedEvac CH-53. „Niedrige, regenverhangene Wolken, schlechte Sicht und kaltes, durchnässtes Einsatzgebiet fordern den Teilnehmern hier schon einiges ab. Aber für die Ausbildung und den persönlichen Erfahrungsgewinn kann das Wetter nicht schlecht genug sein“.
Die wichtigste Aufgabe: Den Patienten schützen
Einen ersten Eindruck der unbändigen Gewalt, die ein Hubschrauber dieser Größe aufbringt, erhielten die Lehrgangsteilnehmer, als sie das erste Mal den Downwash (Abwind) mit voller Macht zu spüren bekamen. „Der Schutz des Patienten vor Staub, Gras, Lärm und herumfliegenden Steinen steht dann immer an erster Stelle. Rettungsdecken und medizinisches Material werden vor dem Einladen des Patienten nochmals kontrolliert und neu fixiert, um ihn dann schnell zum Luftfahrzeug zu transportieren“, bestätigt Stabsfeldwebel Stephan W. und bedeckt mit seinem Oberkörper den Übungspatienten während der Anlandungsphase der CH-53.
Souverän setzt Hauptman R. den 19 Tonnen schweren Hubschrauber punktgenau neben der roten Rauchgranate ab. „Es mag zwar wie Routine aussehen, aber auch wir lernen bei jedem Flug“. Natürlich ist auch für das Bordpersonal jeder Flug eine neue Herausforderung. “Wir kennen zwar die grobe Lage, aber vor Ort müssen wir uns selbst ein Bild machen“, ist die einhellige Meinung.
8.700 PS lassen die Muskeln spielen
Die zwei Triebwerke der CH-53 leisten 8.700 PS und schieben den behäbig wirkenden Hubschrauber sehr beweglich durch die Luft. Nicht nur den Bordsicherungssoldaten (Aerial Gunner), sondern auch dem MedEvac-Personal wird hier körperlich alles abverlangt. „Wir haben hier an Bord teilweise das Zweifache der normalen Körperkräfte (G-Kräfte) auszuhalten. Unsere Splitterschutzweste, die normalerweise 35 Kilogramm wiegt, drückt nun auf den Körper mit 70 Kilogramm. Dazu der Helm und das eigene Körpergewicht verlangen einem körperlich viel ab“, beschreibt ein Bordsicherungssoldat seinen Arbeitsplatz mit strahlenden Augen. Was ihm besonders gefällt: „Wir sind hier an Bord alle Teil des Crew-Konzepts. Wir dienen alle einer Sache und der Teamgedanke steht an vorderster Stelle, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen: Menschenleben retten.“
Für Rettungseinsätze gibt es kein Patentrezept
Noch im Flug wurden durch Oberfeldarzt (OFA) Gerhard R. verschiedene einsatztypische medizinische aber auch taktische „Fallstricke“ eingespielt, um in einem herausfordernden Umfeld mit Hilfe von Improvisation eine Lösung der Probleme zu finden. „Es ist nicht mit der Stabilisierung vor Ort getan. Auch beim Lufttransport kann sich der Zustand des Patienten dramatisch verschlechtern oder die Kommunikation des medizinischen Personals ausfallen. Die dauerhafte Überwachung und Versorgung steht nun im Vordergrund. Vitalwerte werden überwacht, Zugänge gelegt und Kameraden unterstützt. Das erfordert eine hohe kommunikative Leistung aller an der Rettungsaktion Beteiligten. Das alles an Bord eines lärmenden Hubschraubers, der den Bodenkonturen folgt, um dem Feind kein Ziel zu bieten. Dazu kommen Kälte, eingeschränkte Sicht, Vibrationen sowie die hohen physischen Anforderungen an die taktische Flugführung. Das verlangt dem medizinischen Personal alles ab“.
Noch während die Rotoren nach der Landung ausdrehen, wird mit Handzeichen Kontakt zum örtlichen Rettungspersonal aufgenommen. In einem kurzen Übergabegespräch wird der Patient zur Weiterversorgung übergeben. „Es gibt nicht immer eine Musterlösung. Rettungsvorgänge können unterschiedlich durchgeführt werden. Wir versuchen natürlich dem angehenden MedEvac-Personal eine ‚Tool-Box‘ mitzugeben. Oft genug muss jedoch aus vielerlei Gründen vom Ideal abgewichen werden. Ich muss als Ausbildungsleiter bewerten, ob ein gewählter Lösungsansatz der Teilnehmer sinnvoll und zielführend war“, erklärt OFA Gerhard R. Bei diesem Ausbildungsdurchgang war das offensichtlich der Fall. Alle sechs Teilnehmer haben die Ausbildung erfolgreich bestanden, um Menschenleben zu retten.
Autor: Jerg Maier