Beim Start des Tornados im schleswig-holsteinischen Jagel dröhnen die Triebwerke, die Luft vibriert im Körper und es riecht nach Kerosin. Der krasse Gegensatz dazu: Die beinahe lautlos agierenden Aufklärungsdrohnen Heron. Ihre Crews gehören zur 2. Staffel am Standort.
Michael Krah, Kommodore des TaktLwG 51, ist selbst ausgebildeter Waffensystemoffizier auf dem Tornado und führt seit knapp anderthalb Jahren den in der Luftwaffe einzigartigen Verband. Seit Dezember 2015 leitet der 49-jährige Oberst als Kommodore das Einsatzgeschwader Counter-DAESH im türkischen Incirlik. Dort verstärken sechs Tornados aus dem TaktLwG 51 und TaktLwG 33 die internationale Allianz bei der Luftaufklärung über Syrien. Eine Unterstützung im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Parallel dazu wird seit März 2010 die Heron 1 in Afghanistan eingesetzt, wo die drei Maschinen mittlerweile rund 25.000 Flugstunden absolviert haben.
Das Auge am Feind
Das Taktische Luftwaffengeschwader 51(TaktLwG 51) „Immelmann“ in Jagel ist der einzige fliegende Verband der Luftwaffe, der sowohl bemannt als auch unbemannt aufklären kann. Während die bemannte Aufklärung auf das Waffensystem Tornado und den RecceLite-Pod setzt, übernimmt die Aufklärungsdrohne Heron 1 die Aufgabe der unbemannten Aufklärung. Beide Systeme können Bilder live an eine Bodenstation übertragen, wo sie durch die Luftbildauswertung umgehend analysiert werden. Krah braucht nicht lange überlegen, wenn er die Unterschiede der Heron gegenüber dem Tornado aufzählen soll: „Wir sprechen hier über völlig andere Stehzeiten“, so Krah. „Während der Tornado aus Spritmangel nach zwei bis drei Stunden über dem Ziel wieder umkehren oder zur Luftbetankung muss, kann die Heron über 24 Stunden das Aufklärungsziel beobachten.“ Zudem könnten die Bediener, die vom Boden aus die Heron steuern, bei Erschöpfung jederzeit abgelöst werden, was bei einer Tornadobesatzung naturgemäß nicht in Frage komme.
Doch auch der Tornado hat in der Aufklärungsrolle noch lange nicht ausgedient. Er ist das Mittel der Wahl, wenn es um schnelle und flexible Zielaufklärung geht. Zudem ist er mit Infrarot-Täuschkörpern gegen infrarotgelenkte Raketen ausgestattet. Außerdem besitzt er einen Radarwarnempfänger, mit dem gegnerische Radarauffassungen angezeigt werden. Hinzu kommen Infrarotraketen zur Selbstverteidigung.
Auf den Einsatz ausgerichtet
Während Teile der Tornadostaffel auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik stationiert sind, befinden sich zahlreiche Angehörige der 2. Staffel im Einsatz bei Resolute Support (RS) in Afghanistan. Denn obwohl sie die Heron theoretisch auch per Satellit von Jagel aus steuern können, verfolgt die Luftwaffe den Ansatz, die Frauen und Männer in die Mission vor Ort nach Masar-e-Sharif zu bringen. Krah befürwortet das und liefert die Begründung gleich mit: „Die Soldaten sollen ein Gefühl dafür bekommen, was das eigentlich für ein Einsatz ist. Und Sie sollen die Möglichkeit haben, mit den Kameraden, die sie unterstützen, auch in direkten Kontakt zu treten.“ Zwei Punkte, die für den Kommodore wichtige Voraussetzungen sind, damit sich seine Crews auch mental mit diesem Einsatz auseinandersetzen.
Das bedeutet aber auch, dass seine Männer und Frauen sehr lange fern der Heimat arbeiten, weil sie seit rund fünf Jahren permanent im Einsatz sind. „Meine Crews gehen für sechs bis acht Wochen in den Einsatz“, beschreibt Krah den Einsatzrhythmus. „Sie gehen kürzer als die üblichen vier Monate, aber dafür zwei- bis dreimal im Jahr in den Einsatz.“ Dabei schlagen seinen Soldaten zwei Herzen in der Brust: „Das eine ist natürlich, dass sie gerne bei ihren Familien sein wollen, das andere Herz schlägt für ihr Selbstverständnis als Soldat und ihre Arbeitszufriedenheit.“ Laut Krah bekommen sie diese nur, wenn sie ihre Systeme auch fliegen können. Und da alle drei Heron-Systeme im Einsatz sind, gehe das eben auch nur in Afghanistan. „Sie sind stark belastet, aber auf der anderen Seite gehen sie auch bereitwillig in den Einsatz, weil sie dann das tun können, was sie gelernt haben“, erklärt Krah die hohe Einsatzmotivation der Heron-Bediener.
Komplexe Ausbildung an der Heron
Das Muster Heron 1 wurde als Leasingmodell für den Auslandseinsatz beschafft. Bis zur Auslieferung des Nachfolgemusters Heron TP dient es als Zwischenlösung für die Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes. Die Ausbildung am System erfolgt in Deutschland beim TaktLwG 51 und bei der Herstellerfirma Israel Aerospace Industries (IAI) in Israel und dauert rund elf Wochen. In Theorie und Praxis werden die Crews in die komplexe Bodenkontrollstation und in die Bedienung der Hard- und Software zur Steuerung der Heron eingewiesen. Vieles findet am Simulator statt. Doch für die Praxis müssen alle nach Israel, da die Heron aus Zulassungsgründen bisher nur in Israel und im Einsatz in Afghanistan fliegen darf.
Die erfahrene Crew
Hauptmann Olaf Berger* ist 33 Jahre alt und ausgebildeter Pilot. Früher flog er Rettungseinsätze auf dem Hubschrauber UH-1D bevor er die Ausbildung zum RPA-Führer absolvierte. RPA steht für „Remotly Piloted Aircraft“. Ihre Piloten werden aus dem Kreis der Luftfahrzeugführer der Bundeswehr rekrutiert. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie zuvor auf einem Hubschrauber oder einem Flugzeug geflogen sind. Zusammen mit seinem „Payload Operator“ (PO), Hauptfeldwebel Fabrice Bachmann*, bildet er ein Heron-Team. Bachmann ist 39 Jahre alt und war zuvor Flugplaner bei der Luftwaffe. Er gehört zu den ersten zehn Payload Operateuren, die in Israel ausgebildet wurden und hat mittlerweile rund 20 Einsätze in Afghanistan absolviert. Im Einsatz sitzen sie zusammen in der Ground Control Station, einem Container mit Bildschirmen und Bedienkonsolen, aus dem die Heron gesteuert wird. Berger fliegt, Bachmann bedient die Kamera.
Ist es ein großer Unterschied, nicht mehr selber zu fliegen? Für Berger scheint das kein Problem zu sein. Er fliegt auch weiterhin bemannte Luftfahrzeugmuster. Denn damit die Fluglizenz nicht verfällt, fliegen alle RPA-Führer gleichzeitig Übungsflüge mit Hubschraubern oder Flugzeugen. Letzteres geschieht bei der Lufthansa in Bremen auf dem Typ Cessna Citation, einem zweistrahligen Geschäftsflugzeug.
Aus 9.000 Fuß Höhe unmittelbar dabei
Doch wie muss man sich die Arbeit der beiden im Einsatz vorstellen? Eine Aufgabe für Berger und Bachmann ist die Begleitung eigener Truppen auf Patrouille. Dazu bringen sie ihre Aufklärungsdrohne auf eine Flughöhe von 9.000 Fuß (fast drei Kilometer) und begleiten von oben den geplanten Weg der Truppe. Die Heron ist mit leistungsfähigen Tag- und Nachtsichtkameras ausgestattet, die auch aus großer Entfernung und bei absoluter Dunkelheit ihre Aufklärungsziele erkennen können. „Wir minimieren die Gefahr für unsere eigenen Leute“, beschreibt Berger ihre Aufgabe auf Patrouille. „Unser Blick von oben geht viel weiter, da unsere Heron überall dorthin fliegt, wo das menschliche Auge nicht mehr hinblicken kann. Also zum Beispiel hinter einen Hügel“, ergänzt Bachmann. Über Funk sind sie dabei mit den Truppen am Boden verbunden und können so wichtige Informationen direkt weitergeben. „Wir können sogar das Bild der Heron direkt an die Bodentruppen übertragen, sofern sie über ein ROVER-System verfügen“, beschreibt Bachmann die Vorteile für die Truppe. ROVER steht für Remotely Operated Video Enhanced Receiver und ist letztlich ein Laptop zum Empfang der Bilddaten der Heron.
Der Einsatz kann Leben retten
Für Bachmann und Berger hat sich die Heron im Einsatz bewährt. „Wir haben eine sehr hohe Einsatzdauer über unserem Aufklärungsziel, wir vermindern die Gefahr für die eigenen Leute, und die Betriebskosten sind unschlagbar niedrig“, beschreibt Berger die Vorteile der Heron. Zusammen mit der Echtzeitübertragung der Videobilder biete man ein sehr hochwertiges Produkt für die Truppe an. Weiter „veredelt“ wird dieses Produkt durch die Zusammenarbeit mit den Luftbildauswertern. Hauptmann Frank Gottwald* ist einer von ihnen und sitzt im Einsatz direkt im Nachbarcontainer zu Bachmann und Berger. Der 31-Jährige wertet zusammen mit vier weiteren Soldaten die Videos der Heron aus. „Die Truppe teilt uns vorneweg mit, worauf wir zu achten haben, was sie sehen möchte, und wir analysieren daraufhin die Videos“, fasst Gottwald seinen Auftrag zusammen. So kann Gottwald auf den Videos mit seiner Mannschaft auch aus drei Kilometern Entfernung erkennen, wie gegnerische Truppen bewaffnet sind oder ob ein Loch in der Straße eine Sprengfalle verdeckt. „Innerhalb kürzester Zeit analysieren wir zusammen mit den Luftbildauswertern die Bilder, so dass wir unter Umständen Leben retten können“, ergänzt Berger.
Eine Heron beobachtet und warnt
Der Schutz der eigenen Soldaten beschränkt sich bislang auf das genaue Beobachten und Warnen vor Überraschungen. Denn Waffen trägt die Heron 1 nicht. „Wir haben einen Laserpointer an Board. Ein Laserpointer ist jedoch kein Designator, mit dem ich ein Ziel für andere markieren kann“, beschreibt Bachmann die Ausstattung des Fluggerätes. Eine Fähigkeitslücke, die auch Oberst Krah ganz klar benennt: „Insbesondere in der Phase, wo eigene Kräfte in Kampfhandlungen verwickelt waren, hätten meine eigenen Männer und Frauen lieber aktiv unterstützt.“
Die Heron bietet den Bedienern die Möglichkeit, sehr genau zwischen den eigenen und den gegnerischen Kräften zu unterscheiden. Mit kaum mehr als 110 km/h kann sie in der Luft über ihrem Aufklärungsziel kreisen und zusammen mit ihren leistungsfähigen Kameraoptiken ein bestechend scharfes Bild vom Schauplatz liefern. „Da stellt sich natürlich schon die Frage, warum gebe ich diesem Luftfahrzeug nicht die Fähigkeit, im Notfall auch wirklich einzugreifen und zu helfen?“, so Krah. Diese Fähigkeit hat bisher nur der Tornado. Die kürzlich getroffene Entscheidung über ein Nachfolgesystem für die Heron 1 schließt diese Fähigkeitslücke. Generalinspekteur Volker Wieker hat die Einführung der bewaffnungsfähigen Heron TP beschlossen. Ob eine Drohne dann im Einzelfall bewaffnet oder unbewaffnet eingesetzt wird, würde stets vom konkreten Einsatz und dem entsprechenden Mandat des Bundestags abhängen.
Auf die Frage, ob es eigentlich eine Art Konkurrenz zwischen der Tornadostaffel und der unbemannten Aufklärung gäbe, antwortet Oberst Krah mit einem leichten Schmunzeln: „Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um wechselseitige Ergänzung und gegenseitige Anerkennung.Wir nutzen das gesamte Spektrum luftgestützter Aufklärung. Damit verfügen wir über ein ganzheitliches und einzigartiges Leistungsprofil.“
*Namen zum Schutz der Personen geändert
Autor: Thomas Erken/Luftwaffe
Foto: Kevin Schrief/Luftwaffe