Ich beginne mit dem Sinkflug und melde mich bei der Kontrollstelle in Bodø an. Den schwedischen Luftraum habe ich verlassen. Vom Atlantik her weht ein starker Westwind. Die Wolken treiben an mir vorüber. Die Sicht ist eingeschränkt. Ich fliege das erste Mal nach Norwegen. Ich bin angespannt, mir aber meiner Sache sicher.

 

Eurofighter im Landeanflug auf Airbase Bodø. Die vorgelagerten Inseln und im Hintergrund die Landebahn sind gut zu erkennen (Quelle: Luftwaffe/Franz Männling)

 

Mein erstes großes Kommando. Ich bin gespannt, was ich in den kommenden beiden Wochen erleben werde. Aber nun heißt es, voll auf den Landeanflug konzentrieren. Ich sinke auf unter 7.000 Fuß. Die Bergketten unter mir kann ich gut erkennen. Die Sinkrate passt. Ich bin aber zu schnell unterwegs. Knapp 450 Knoten und nur noch zwölf Meilen bis zum Aufsetzpunkt. Bodø – direkt am Atlantik – ist schon zu erkennen.

Ich werde auf Sicht anfliegen. Nur noch sieben Meilen. Ich erkenne bereits die Umrisse des Flugplatzes. Ich werde der Erste aus unserer Rotte sein, der gleich landet. Ich bin immer noch zu schnell. 370 Knoten. Es ist anders als in der Heimat in Neuburg. Ich werde keine Platzrunde machen und nach links über das Donaumoos wegbrechen können, um meine Geschwindigkeit drastisch zu reduzieren. Nein, direkter Landeanflug auf Bodø. Nur noch zwei Meilen, ich müsste das Fahrwerk ausfahren. Aber das geht erst bei 280 Knoten. Ich bin einfach noch zu schnell. Die Landebahn ist direkt vor mir.

 

Landeanflug abbrechen – durchstarten

Flugplatz in Sicht. (Quelle: Luftwaffe/Xaver Habermeier)

 

Ich muss abrechen. Kurzer Funkkontakt zum Tower. Ich brauche einen zweiten Versuch. Ich schiebe die Leistungshebel nach vorne, mein Eurofighter reagiert sofort. Die Nase zeigt steil nach oben. Ich gewinne sofort an Höhe. Der Flugplatz liegt schon hinter mir. Nun fliege ich über den Atlantik. Eine weitgezogene Linkskurve. Im Nordwesten erkenne ich die Lofoten in der tiefstehenden Sonne. Ich ziehe meine Maschine weiter nach links und habe die Küste des Festlands direkt vor und das glitzernde Wasser eines Fjordes unter mir. Dann ziehe ich meinen Jet Richtung Norden und erkenne nach kurzer Zeit wieder Bodø mit seinem Flugplatz. Ich habe im Funkverkehr zugehört, dass meine Kameraden sicher gelandet sind.

Nun heißt es, dass ich meinen Vogel sicher nach unten bringe. Die Geschwindigkeit passt nun. Dieser Fehler passiert mir nicht noch einmal. Ich fahre das Fahrwerk aus und richte den Eurofighter sauber zur Landebahn aus. Meine Nervosität habe ich im Griff. Ich konzentriere mich und mein Flugzeug setzt sauber auf der Landebahn auf. Jetzt runterbremsen und zum zugewiesenen Shelter rollen. Ich bedanke mich noch kurz bei den norwegischen Kameraden auf dem Kontrollturm und bringe meine Maschine zum Stillstand. Als nächstes abschnallen und aussteigen.

Jetzt erst realisiere ich, dass ich gar keinen Wart brauche, der mir die Rolltreppe an das Luftfahrzeug schiebt. Ich sitze im Full-Mission-Simulator FMS in Neuburg. Alles um mich herum ist nur Illusion gewesen. Aber so realitätsnah, dass ich tatsächlich feuchte Finger im Landeanflug hatte. Mein Instruktor vom Aircrew Synthetic Training Aid kurz ASTA weist mich an zum Debriefing zu kommen.

 

Fliegen wie am Himmel über Norwegen

 

Fliegen unter realen Bedingungen dank ASTA-Software. (Quelle: Luftwaffe/Xaver Habermeier)

 

Das ASTA ist der Simulator für die Eurofighter-Flotte. Er wird in Spanien, Italien, Großbritannien und Deutschland an den jeweiligen Eurofighter-Standorten genutzt. Er besteht regelmäßig aus einem Cockpittrainer CT und einem Full Mission Simulator FMS. Der CT hat ein Sichtfeld von 300 Grad und wird hauptsächlich für den Formationsführer genutzt oder zur Darstellung eines Trainingspartners für den FMS. Der FMS besitzt eine 360-Grad-Rundumsicht und kann das gesamte Einsatzspektrum des Eurofighters darstellen. Dazu werden im Simulator Originalteile des Eurofighter-Cockpits eingesetzt, um die perfekte Haptik, also das echte „Look-and-Feel“ sicherzustellen. Auch kommt die Original-Waffensystemsoftware zum Einsatz, als „re-hosted“ Software.

Die gesamte Simulationsumgebung, das sogenannte Synthetic Environment, wird ergänzt durch komplexe Szenarien, die computergenerierte Player schaffen. Diese sind so programmiert, dass die Simulation als äußerst realitätsnah empfunden wird. Zur Vorbereitung auf die Arctic Challenge Exercise wurden durch ASTA-Personal Unmengen an Datenmaterial aus Norwegen in die ASTA-Software integriert, so dass der Eurofighter-Pilot beim Landeanflug auf Bodø, und natürlich in den komplexen taktischen Szenarien, das Gefühl hat, in Realität zu fliegen. Dazu wird neben der künstlichen Intelligenz ein „Motion Cueing“-System genutzt. Durch dieses ausgeklügelte System bewegt sich auch der Sitz, was zur weiteren Realitätsnähe und Optimierung der Simulation dient.

 

Berthold Eibisch von der GFD war früher selber Jetpilot und trainiert jetzt die aktiven Piloten im Simulator. (Quelle: Luftwaffe/Xaver Habermeier)

 

Der gesamte ASTA-Komplex wird ergänzt durch die Instructor Operation Station IOS, an dessen Steuerkonsole mein Instructor saß und mir Anweisungen erteilte und unerwartete Situationen einspielte, die mich zu entsprechenden Maßnahmen zwangen. Dieser Instructor ist auch gleichzeitig mein Fluglehrer, der mich jetzt im Debriefing-Theater erwartet, um das Mission Debriefing (die Nachflugbesprechung) mit mir zu machen.

Auflösung:

Wer diesen Artikel nun aufmerksam gelesen hat, kann als Laie die Faszination Fliegen nachvollziehen. Die Simulation im ASTA ist atemberaubend. Derjenige Leser, der selber ein Flugzeug fliegt, insbesondere einen Eurofighter, hat sich beim Lesen bestimmt köstlich amüsiert. Wenn einer unserer Piloten Bodø so anfliegen würde und durchstarten müsste, hätte er den Flugschein nicht verdient.

 

Autor: Harald Graf

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