Im Feuerleitstand sind alle hochkonzentriert. Das Kommando lautet: „The next target is yours. Get ready for engagement: five, four, three, two, one…” Mit einem Feuerstrahl und ohrenbetäubendem Lärm startet die Rakete. Angespannt blicken die Soldaten auf ihre Kontrollbildschirme und mit genauso viel Anspannung verfolgen die Zuschauer die Rauchspur des Patriot-Lenkflugkörpers. Dabei wird nicht ganz klar, welcher Umstand für mehr Spannung sorgt: Sind es die kritischen Augen der NATO-Prüfer, die jeden Handgriff der Soldaten im Auge haben und die Einsatzbereitschaft des Verbandes prüfen? Was passiert, falls eine der mehrere Millionen Euro teuren Raketen ihr Ziel verfehlen sollte? Oder rührt die Anspannung daher, dass das Patriot-Schießen auf Kreta für viele Soldaten der erste scharfe Schuss überhaupt auf dem Waffensystem ist? Woher auch immer die Anspannung rührt: sie löst sich buchstäblich in Rauch auf. Das ferngelenkte Ziel wurde durch den Lenkflugkörper pulverisiert und eine kleine Rauchwolke ist alles, was von der simulierten Bedrohung übrig bleibt.
Bewährung auf Kreta
Ab dem 22. September haben die Angehörigen der Flugabwehrraketengruppen 21, 24 und 26 sowie das Kampfführungspersonal des Flugabwehrraketengeschwaders 1 auf Kreta geübt. Dort befindet sich die NATO Missile Firing Installation at Souda Bay in Crete, kurz NAMFI. Inmitten des Mittelmeers kann dort der scharfe Schuss trainiert werden, ohne andere zu gefährden. Für viele Soldaten stellen die Ausbildungswochen auf Kreta den Höhepunkt ihrer Karriere in der Flugabwehrraketentruppe dar. Für nicht wenige ist es die erste Gelegenheit, die bisher nur in der Theorie erprobten Verfahren einem ersten Realitätstest zu unterziehen.
40 Lenkflugkörper in zwei Tagen
„Für viele meiner Soldaten ist es der erste scharfe Schuss“, bestätigt Major Birgit Semkat, Staffelchefin der 3. Staffel der Flugabwehrraketengruppe 21 aus Prangendorf. „Aber es ist wirklich eine Freude, zu sehen, wie sich die vielen Stunden der Vorbereitung auf Kreta bezahlt machen.“ Von ihrer Staffel sind 39 Soldaten beim Schießen dabei und davon allein 23 zum allerersten Mal. Zusammen mit den anderen Soldaten des Geschwaders werden sie im Laufe der Woche bis zu 40 Lenkflugkörper Patriot verschießen.
Deutsch-Amerikanische Partnerschaft
Mit dabei sind dieses Jahr auch Soldaten der US-Armee aus Kaiserslautern. Sie gehören dem 5. Bataillon des 7. Flugabwehrregiments an und werden gemeinsam mit ihren deutschen Kameraden üben. „Allein sechs der US-Soldaten sind in meiner Staffel integriert und werden als eigene Crew schießen“, berichtet Semkat nicht ganz ohne Stolz auf ihre ungewöhnliche Verstärkung. „Ein weiterer US-Soldat ist für das Schießen sogar in eine deutsche Crew integriert.“ Möglich macht dies die gemeinsame Nutzung des Waffensystems Patriot und der Einsatz der englischen Sprache für Kommandobefehle. Neben Deutschland und den USA setzen viele weitere NATO-Nationen die Patriot-Lenkflugkörper ein, darunter die Niederlande und Griechenland. Als besonderes Highlight ist ein „Best Crew Award“ für das Schießen ausgeschrieben. Es sollen die besten deutschen und US-Feuerleit- und Abschussbesatzungen im Rahmen einer Zeremonie am letzten Schießtag ausgezeichnet werden.
Ein Tag voller Höhepunkte
Doch nicht allein der scharfe Schuss gilt unter den Soldaten der Flugabwehrraketentruppe auf Kreta als Highlight. Eine gewisse Tradition hat mittlerweile die Flugvorführung einer F-16 der griechischen Luftwaffe von der nahe gelegenen Souda Airbase. Knapp über den Köpfen der Teilnehmer zog der Kampfjet seine Kreise und sorgte für große Bewunderung für die fliegerischen Künste des Piloten. Doch eines war allen Teilnehmern klar: Gegen das gut eingespielte Team des Flugabwehrraketengeschwaders 1 hätte er keine Chance gehabt.
Text: Thomas Erken/Luftwaffe
Foto: Kevin Schrief/Luftwaffe
