Es ist heiß hier im äußersten Südwesten Frankreichs. So sehr, dass das Gerätetemperaturregelventil des ECR-Tornados schon mal kaputtgeht. Ein Fall für die vielen Akteure, die im Team Luftwaffe mithelfen, dieses Teil innerhalb weniger Stunden auszutauschen. Die Aufgabe: den Jet für die nächste Tiger-Meet-Mission wieder „klar“ melden.

Es passiert kurz bevor der Schleswiger Tornado die Silberküste am Golf von Biskaya erreicht. Die portugiesische F-16, die heute in der Angriffsrolle fliegt, hatte den Tornado aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ über den Wäldern der Gascogne südlich von Bordeaux gesichtet und jagt ihn jetzt Richtung Atlantik. „Der Bordcomputer zeigt die Warnleuchte für die Gerätekühlanlage ECST an“, meldet Pilot „Chuck“ P. seinem hinter ihm im Cockpit sitzenden Waffensystemoffizier „Bodo“ F. Abbruch des Luftkampfes – zurück zur Base.

 

Beim jährlichen Tiger-Meet ist es Tradition, dass die Nationen ein Luftfahrzeug im Tiger-Design präsentieren. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Die Technik-Crew weiß schon Bescheid

Schon auf dem Rückflug gibt Chuck das Problem über den Tower an den Einsatzsteuerer Heiko Ahlbrecht durch. Der Stabsfeldwebel, daheim in Jagel ebenfalls in der technischen Einsatzsteuerung eingesetzt, weiß, wen er jetzt braucht und greift zum Funkgerät: „Kofferträger an Tanzbär, die 46+55 kommt gleich mit einer Fehlermeldung rein, kümmert Euch drum“. Oberfeldwebel Dennis Menzel stemmt sich aus dem Campingplatzstuhl in der provisorischen Technik-Halle, schnappt sich seinen Werkzeugkoffer und macht sich auf den Weg zur „Platte“. Auf dem Weg dorthin holt er noch Stabsunteroffizier Lasse Neelsen ab, den zweiten „Klimaten“, wie die Klima-Spezialisten der Instandsetzungsstaffel heißen. Sie kümmern sich nicht nur um dieses Regelventil, sondern auch um die Abzapfluftanlage oder die Sauerstoffversorgung für die Piloten.

 

Vom Tower hat der Einsatzsteuerer Stabsfeldwebel Heiko Ahlbrecht erfahren, dass es ein technisches Problem gibt. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Mit einem kleinen Nicken kommt der Electronic Combat and Reconnaissance (ECR)-Tornado in der Parkposition zum Stehen. Noch während das Triebwerk läuft, erfolgt eine Fehlerdiagnose. Das Gerätetemperaturregelventil wird als Ursache identifiziert. Nach dem Herunterfahren der Triebwerke öffnen sie an der Unterseite des Rumpfes eine Klappe. Neelsens Oberkörper verschwindet vollständig im Schacht, Werkzeug wandert zwischen den beiden hin und her. Es ist verdammt eng, weil jeder Quadratzentimeter genutzt wird. Wenig später reicht er mit ölig glänzenden Fingern seinem Kameraden das defekte Ventil. Schwarz lackiert, unförmig, ein paar kreisrunde Öffnungen, made in England. „Das Teil ist für die Kühlung des mit Aufklärungselektronik vollgestopften Tornados zuständig und hohen Temperaturschwankungen ausgesetzt“, erklärt Dennis Menzel. Es sei nicht ungewöhnlich, dass das Ventil – gerade in wärmeren Gegenden – gelegentlich kaputtgeht. „Das tauschen wir aus“, sind sich die beiden einig und marschieren zur Hauptgefreiten Anna-Lena Klein.

 

Die „Klimaten“ Oberfeldwebel Dennis Menzel (links) und Stabsunteroffizier Lasse Neelsen haben soeben das defekte Gerätetemperaturregelventil ausgebaut. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Ein kleines Teil entscheidet über den Erfolg der Übung

Die Materialbewirtschafterin hat den Überblick über das sogenannte „6-R Verlegepaket“, einer Sammlung von genau 37.277 Teilen vom Dichtungsring bis zum ganzen Triebwerk. Bevor der Austausch „kaputt gegen neu“ stattfinden kann, müssen natürlich Rücklieferungsscheine ausgefüllt und digitale Listen aktualisiert werden. „Vom diesem Gerätetemperaturregelventil haben wir sechs Stück dabei, eins kostet zirka 17.913,44 Euro“, so Anna-Lena Klein.

Nur auf den ersten Blick viel Geld – gemessen an der enormen Folge, die es hätte, wenn das Teil nicht dabei wäre, dann doch nicht viel. Denn die Maschine steht dann solange, bis vom Heimatverband oder der Industrie ein neues herangeschafft ist. Sich eins von einer anderen Nation auszuleihen ist nicht möglich, schon allein deswegen, weil Deutschland in diesem Jahr die einzige Nation mit einem Tornado ist. Besonders für die Piloten wäre das tragisch, weil sich die Gelegenheit, an der Hochwertübung „NATO Tiger Meet“ teilzunehmen, nur einmal im Jahr ergibt.

„Die Kunst ist, das richtige Teil in ausreichender Menge dabei zu haben“, sagt der Disponent Stabsunteroffizier Robin Schlesselmann. Und es dann auch zu finden. Denn die Teile sind in acht verschiedenen See-Containern verpackt. Dumm auch, wenn es ausgerechnet in einer Kiste ganz hinten unten liegt und erst nach vielem Umräumen zutage gefördert werden kann. „Es gibt Tage, da geben wir zehn Teile aus, an anderen gar keine“, berichten die beiden. Verschiedene Fachgruppen greifen auf das Materialdepot zurück, das die MatBew-Leute, wie die Materialbewirtschafter kurz heißen, zuhause verpackt und Wochen vorher auf mehreren LKW nach Südfrankreich geschickt haben. Wenn Zeit ist, verfolgt die 24-Jährige auch mal den Weg, den eins der ausgegebenen Teile bis zum Einbau in den Flieger nimmt.

 

Bei 37.277 Teilen im Materialdepot heißt es Überblick bewahren; Stabsunteroffizier Robin Schlesselmann und Hauptgefreiter Anna-Lena Klein haben schnell das richtige Teil gefunden und vergleichen die Materialnummern. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Kein Einbau ohne mehrfache Prüfung

Stichwort Einbau: Den nehmen jetzt umgehend die beiden „Klimaten“ Menzel und Neelsen vor. Nicht ohne vorher schon mal den Flugwerkprüfer Stabsfeldwebel Jens Ramm zu bitten, in Kürze zur 46+55 zu kommen, um ihr Werk zu begutachten. Mit der Taschenlampe in der Hand verschwindet Ramm zur Hälfte im Bauch des Tornados und prüft den Einbau des Ventils.

 

Flugwerkprüfer Stabsfeldwebel Jens Ramm lässt sich von Stabsunteroffizier Lasse Neelsen den Einbau des neuen Ventils zeigen. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Teil 2 der Überprüfung ist ein Funktionstest, der nur mit einem laufenden Triebwerk möglich ist. Deswegen steht auch schon Hauptfeldwebel Marcel Thomsen parat, klettert über die Leiter auf den Pilotensitz und bereitet das Anlassen vor. „Die brauchen einen Luftdurchsatz in der Leitung, um zu schauen, ob das Ventil fährt“, sagt der Triebwerker und macht auf Ramms Kommando einen Höllenlärm, worauf sich die Umstehenden sofort den Gehörschutz über die Ohren ziehen. Bis 80 Prozent der maximalen Triebwerksleistung fordert Thomsen an Ort und Stelle ab. Als Bodenprüflaufberechtigter dürfte er auch einen Nachbrenner-Test, etwa nach einem Triebwerkswechsel, durchführen – dann aber nur auf der „Bremsplatte“.

 

Die beiden beraten, ob das defekte Teil nach Reparatur nochmals verwendet werden kann. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Es dauert ein paar Minuten bis Prüfer Ramm mit dem Daumen nach oben signalisiert, dass er zufrieden ist. „Die Maschine ist von meiner Seite aus einsatzbereit, jetzt folgt noch der Eintrag in SASPF und Lebenslaufakte“, so der Stabsfeldwebel. Ramms kleiner Stempel (samt Stempelkissen immer am Mann) mit seiner persönlichen Prüfernummer bestätigt den ordnungsgemäßen Austausch im Bordbuch und schließt die Dokumentation ab.

 

Daumen rauf – auch die Funktionsüberprüfung mit dem von Hauptfeldwebel Marcel Thomsen angelassenem Triebwerk war erfolgreich. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Die Nachmittagsmission kann wie geplant durchgeführt werden – worüber sich Hauptmann Johnnie W. besonders freut, weil er mit den italienischen Eurofigter-Kameraden der XII. Gruppo aus dem süditalienischen Gioia del Colle den ganzen Vormittag eine besondere Lage geplant hat.

 

Der Tornado ist mit einem neuen Gerätetemperaturregelventil wieder einsatzklar und startet mit Nachbrenner in den wolkenverhangenen Himmel über Südfrankreich. (Quelle: Luftwaffe/Johannes Heyn)

 

Autor: Max-Joseph Kronenbitter

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