Schulterschluss für einen sicheren Luftraum über dem Baltikum

Über 400 Tonnen Material und viel Arbeit waren nötig. Jetzt läuft der verlegefähige Gefechtsstand zur Luftraumüberwachung aus Holzdorf im täglichen Normalbetrieb. In Lielvarde ergänzt er das Radar- und Funknetzwerk der baltischen Staaten. Rund 100 deutsche Soldaten der „Einsatzgruppe verlegefähig“ des Einsatzführungsbereichs 3 haben hier seit Anfang Juli ihren Arbeitsplatz.

 

Auf der einzigen lettischen Air Base erweitert der Gefechtsstand für drei Monate das bestehende integrierte Luftverteidigungssystem der NATO. Fast täglich üben hier die Soldaten den Ernstfall. Dafür steigen zwei Kampfjets auf und üben Abfangeinsätze. Einer der beiden wird durch einen Jägerleitoffizier zum „Target“, also dem Ziel in der Luft, bestimmt. Der andere wird zum „Fighter“ – dem Abfangjäger. Durch taktische Anweisungen per Funk weist der Jägerleitoffizier dem Piloten des „Fighters“ den besten Weg zu seinem „Target“ und dessen Auftrag. Das geschieht auf der Grundlage des Luftlagebildes. Das wird durch die angeschlossenen Radargeräte im DCRC, dem Deployable Control and Reporting Center, erstellt.

Äußerlich unspektakulär, aber im Inneren voll mit moderner Technik: Das DCRC aus Holzdorf. (Quelle: Luftwaffe/Andreas Remmel )

Familie und Dienst Hand in Hand

Oberleutnant Marcel Zuchold ist einer der Jägerleitoffiziere im DCRC. Der 37-Jährige ist seit der Gründung der verlegefähigen Einheit mit von der Partie. Bei fast allen Übungen des DCRC war er dabei. „Obwohl man dadurch viel unterwegs ist, hat mir der Job schon immer großen Spaß gemacht“, erzählt der Oberleutnant. „Allein die Herausforderung, ständig etwas Neues zu erleben und immer wieder dazuzulernen, finde ich erfüllend“, sagt der Familienvater.

 

Zuhause warten seine Frau und seine beiden kleinen Töchter auf ihn. Um während der Zeit in Lettland den Kontakt zur Familie halten zu können, hat die Bundeswehr ein kostenloses WLAN für die Soldaten eingerichtet. Auch Zuchold profitiert davon: „So kann ich mit der Familie in Verbindung bleiben. Gerade abends, wenn die Kleinen ins Bett gehen, ist es sehr schön, sie nochmal zu sehen und mit ihnen sprechen zu können. Das funktioniert hier sehr gut.“ Obwohl die Arbeit und insbesondere die Trennung von der Familie sehr anstrengend sind, ist sich Oberleutnant Zuchold sicher: „Was anderes kann ich mir momentan gar nicht vorstellen. Es ist natürlich sehr schade, dass ich meine Familie so selten sehe. Dass ich mich hier persönlich sehr gut weiterentwickle und den Verband mitgestalte, ist allerdings ein guter Nebeneffekt.“

 

Geburtstag unter Einsatzbedingungen

Damit meint Zuchold besonders die „Einsatzgruppe verlegefähig“ aus Holzdorf, zu dem das System gehört. Durch die jährlichen Übungen sammeln die Soldaten viele wertvolle Erfahrungen. In Simulationen trainieren sie ihre Einsätze fast täglich. Bei Persistent Presence wird die gesamte Anlage zum ersten Mal unter Einsatzbedingungen getestet. Da es am 19. August bereits sein 10-jähriges Bestehen feierte, ist es jedoch kein neues Rüstungsprojekt. Seit 2006 ist das DCRC auf vielen Übungen im Inland mit dabei. Aber auch außerhalb Deutschlands kam es beispielsweise 2009 bei „LOYAL ARROW“ in Schweden oder mehrmals bei „FRISIAN FLAG“ in den Niederlanden zum Einsatz.

Im DCRC profitieren die baltischen Soldaten von den Erfahrungen ihrer deutschen Kameraden. (Quelle: Luftwaffe/Andreas Remmel )

 

Drei Uniformen – ein Auftrag

Die Arbeit der Controller ist zwar grundsätzlich immer gleich, „jedoch müssen wir uns jeweils an die Gegebenheiten und andere Regularien anpassen“, sagt Oberleutnant Zuchold. Innerhalb der NATO-Staaten ist es daher selbstverständlich, dass sich die Soldaten der verschiedenen Nationen austauschen und voneinander lernen. Jelena Ozola, Hauptmann der lettischen Streitkräfte, ist eine von neun Soldaten aus den baltischen Staaten, die von den Deutschen weitergebildet werden. Die ausgebildete Master Controllerin ist taktische Führerin eines CRC. „Hier habe ich in zwei Wochen einen guten Einblick in den deutschen Führungsgefechtsstand bekommen und tolle Erfahrungen gemacht“, erzählt Ozola. „Diese kann ich gut für meinen Dienst im eigenen CRC nutzen.“

Mit mehr als 300 Kilometern Reichweite „schaut“ das Radar in den baltischen Luftraum. (Quelle: Luftwaffe/Andreas Remmel )

 

Bis Ende September wird das DCRC noch im lettischen Lielvarde stationiert sein. Im nächsten Jahr wird dann anstelle des Führungsgefechtsstandes eine ähnliche Fähigkeit der Kanadier erwartet. Wo das deutsche System 2017 aufgebaut wird, ist bisher noch nicht klar. Es ist jedoch geplant, dass das DCRC zweimal jährlich verlegt. Von den Erfahrungen aus Lettland profitieren die Soldaten bei jedem weiteren Aufbau.

 

Hintergrund:
Der Einsatz des deutschen Gefechtsstandes in Lettland ist Teil der sogenannten Rückversicherungsmaßnahmen, die auf dem NATO-Gipfel 2014 in Wales beschlossen wurden. Dadurch wird den baltischen Staaten Solidarität entgegengebracht und die Präsenz an der Ostflanke der Allianz verstärkt.

Die baltischen Staaten forderten bereits vor der Russland-Ukraine-Krise insgesamt eine größere Sichtbarkeit der NATO. Eine stärkere, möglichst permanente Präsenz der Allianz ist hierbei das Ziel von „Persistent Presence 2016 LVA“. In ihrer Betonung kollektiver Verteidigung mit klarem Verweis auf Russland finden sie vor allem bei anderen osteuropäischen NATO-Staaten aber auch den USA, Kanada, Großbritannien sowie Dänemark und Norwegen Unterstützung.

 

Autor: Andreas Remmel/Luftwaffe

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