Irgendwo in der fjord- und seenzerklüfteten Gegend südlich von Trondheim müssen sie sein, die zwei Luftverteidigungsstellungen mit ihren Patriot-Raketen. Die beiden ECR-Tornados vom Taktischen Luftwaffengeschwader 51 „Immelmann“ aus Jagel fliegen diesmal als Angreifer. Gleichzeitig fungieren sie für die FlaRak-Einheiten, die eigentlich ihre Kameraden sind, als Übungsziel.

 

Der Tornado mit seiner Beladung in der SEAD-Rolle (Suppression of Enemy Air Defence). (Quelle: Luftwaffe/Stefan Petersen)

 

Die Luftbetankung auf dem 900 Kilometer langen Weg nach Mittel-Norwegen hat funktioniert. Der norwegische Controller hat den Tanker A-310 MRTT der Luftwaffe und die beiden Tornados im vorher abgestimmten Luftraum zusammengeführt. Major Georg H. und sein Wingman Hauptmann Sören W. tankten je viereinhalb Tonnen Sprit. Jetzt heißt es, die Stellungen im 100 x 80 Kilometer großen Übungsraum aufzuklären und deren Boden-Luftraketen von ihrer tödlichen Wirkung abzuhalten. Dazu sind unter der linken Tragfläche ihres ECR-Tornados (Electronic Combat & Reconnaissance) ein Selbstschutzbehälter und rechts ein Chaff/Flare-Dispenser mit Täuschkörpern montiert.

Durch Triangulieren zur Quelle der Radaraufschaltung

Wir können erst dann reagieren, wenn uns das Radar der Luftverteidigungsstellung zu erfassen versucht“, erklärt Major Georg H., der als Fluglehrer im hinteren Kampfstand im Tornado arbeitet. Durch die Bewegung des eigenen Flugzeugs und ständiges Winkelmessen wird der genaue Standort der Stellung ermittelt. „Radar-Bibliotheken bestimmen dann das genaue Waffensystem und damit wissen wir, ab wann wir in den Wirkungsbereich der bodengebundenen Raketen geraten“, so der Fluglehrer weiter. Während der Pilot mit dem Fliegen beschäftigt ist, kümmert sich der Hintermann und Waffensystemoffizier um die Abwehrmaßnahmen. Während im Tornado noch zwei Besatzungsmitglieder unterwegs sind, gibt es schon Studien für künftige Kampfflugzeuge, die gänzlich unbemannt ihren Auftrag erfüllen sollen.

 

Die Techniker übergeben den einsatzbereiten Tornado an die Crew. (Quelle: Luftwaffe/Falk Bärwald)

 

Hochwertiger Beitrag innerhalb der NATO

Das Unterdrücken der feindlichen Luftabwehr (Suppression of Enemy Air Defence, kurz SEAD) mit dem Waffensystem Tornado ist eine der „Spezialitäten“, die neben den Amerikanern und Italienern nur die Bundeswehr in die NATO-Übung Trident Juncture einbringt. Prinzipiell könnten Tornados auch mit Luft-Bodenraketen wie beispielsweise mit der HARM (High-Speed Anti Radiation Missile) ausgestattet werden, die ein Bodenradar auch dauerhaft zerstören.

Für alle Eventualitäten eine Lösung

Ein wesentlicher Übungseffekt tritt ein, wenn sich die Lage (kurzfristig) ändert. „Ein taktischer Flug, der genau wie geplant abläuft, ist fast schon nutzlos“, findet der Einsetzer des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“, Hauptmann Klaus P. Deswegen nimmt das contingency-planning einen hohen Stellenwert bei der Vorbereitung ein. Das bedeutet, für jede Eventualität einen „Plan B“ vorzudenken.

 

Zwei der ECR Tornado´s kurz vor dem Start in Richtung Norwegen. (Quelle: Luftwaffe/Falk Bärwald)

 

Plan B bei Trident Juncture

Nicht ganz freiwillig galt es, auch für diese Trident Juncture-Übungsmission einen Plan B parat zu haben. Denn die sechs Bomber der anderen internationalen Übungsteilnehmer, die von den (ursprünglich vier) deutschen Tornados durch das Szenario an den Patriot-Stellungen vorbei geleitet werden sollten, erschienen kurzfristig nicht. „Für uns war der Übungseffekt, dass wir außerhalb eines Auslandseinsatzes während der dreieinhalbstündigen Mission eine zweifache Luftbetankung hatten und dass wir gleichzeitig für unsere Patriot-Kameraden der bodengebundenen Luftverteidigung aus Husum ein Trainingshilfsmittel darstellen konnten“, so der Pilot Hauptmann Sören W.

Jagel wird NRF im kommenden Jahr

Der Aufwand für die Vorbereitung des Jageler Beitrages zur NATO-Übung war enorm. Es begann schon im Frühjahr mit einem Vorbereitungstreffen der Projektoffiziere aller beteiligten Nationen in Ramstein. Die letzten Absprachen wurden dann wenige Minuten vor dem Takeoff mit dem finnischen Mission-Commander – das entspricht dem Mannschaftskapitän – getroffen. Dass auch die „Immelmänner“ bei der Großübung Trident Juncture dabei waren, war kein Zufall. Weniger weil sie mit ihrer Lage am nördlichen Ende von Deutschland dem norwegischen Übungsraum so nah waren wie kaum ein anderer Standort. Vielmehr deswegen, weil das TaktLwG 51 „Immelmann“ als ein deutscher Beitrag der NATO Response Force (NRF) für 2019 vorgesehen ist.

Autor: Max-Joseph Kronenbitter

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