Vollgas am Boden – Mein Schraubenschlüssel und ich

Vollgas am Boden – Mein Schraubenschlüssel und ich

Die Erde bebt. Es wird unerträglich laut. Gerne würde ich jetzt die Kamera loslassen, um meine Hände als zusätzlichen Geräuschdämpfer nutzen zu können. Vollgas: Mit einer unglaublichen Kraft zieht der Eurofighter an daumendicken Stahlseilen. Glücklicherweise ist die Reepschnur fest am Boden verankert. Im Cockpit sitzt kein Pilot, sondern Hauptfeldwebel Norman G., spezialisierter Eurofighter-Fluggerätemechaniker. Zusammen mit vier seiner Kameraden testet er das neu eingebaute Triebwerk.

Hauptfeldwebel Norman G. an einem der Mini-Aufzüge: Gleich setzt er, zusammen mit seinen Kameraden, das neue Triebwerk in den Eurofighter ein. (Quelle: Luftwaffe/Philipp Kloß)

 

Eines der leistungsfähigen Turbofantriebwerke eines Eurofighters muss ausgetauscht werden – Routine für das fünfköpfige Team um Norman. Damit die Mechaniker in allen technischen Bereichen des Jets fit bleiben, wechseln sie sich bei den anfallenden Arbeiten ab: Dieses Mal bedient Hauptfeldwebel Norman einen der beiden Mini-Aufzüge, von dem aus das Ersatztriebwerk auf die Höhe der Flügel angehoben wird. Zwei weitere Soldaten sitzen unterhalb des Triebwerks auf Drehstühlen und richten es zur Längsachse des Flugzeugs aus. „Wir brauchen bei der Luftfahrzeugmechanik mindestens fünf Leute, um arbeiten zu können. Anders könnten wir Instandsetzungsarbeiten, wie diesen Triebwerkswechsel, gar nicht durchführen. Die Jungs hier sind grundsätzlich für alle mechanischen Arbeiten am Eurofighter zuständig“, sagt Oberleutnant Maria S., die diesen Arbeitsbereich leitet. In nur 30 Minuten ist das neue Modell eingesetzt. Doch nach dem Wechsel herrscht erstmal Stillstand. Denn um den Testlauf abschließen zu können, müssen die Soldaten jetzt auf die „richtigen“ klimatischen Bedingungen warten: über drei Grad Außentemperatur und mindestens 1.600 Meter uneingeschränkte Sicht.

Eine riesige Rauchwolke kommt aus dem Triebwerk des Eurofighters. Sie entsteht, weil das Triebwerk lange mit Öl, zum Zwecke der Konservierung, zwischengelagert wurde. (Quelle: Luftwaffe/Philippe Stupp)

 

Von kleinen zu großen Vögeln

Bevor der 31-Jährige Norman die Leitung des Triebwerktests übernehmen durfte, musste er an einer Reihe von Aus- und Weiterbildungen teilnehmen. Allein der letzte Kurs für die erforderliche Zusatzqualifikation, um den Test leiten zu dürfen, dauerte sechs Wochen. Der gebürtige Eislebener ist seit 2006 bei der Bundeswehr beschäftigt. Innerhalb von 21 Monaten wurde er zunächst bei der Firma Eurocopter zum Fluggerätemechaniker ausgebildet. Im Anschluss arbeitete er zunächst am Jet F-4 Phantom. „Nachdem der jedoch außer Dienst gestellt wurde, nutzte ich die Möglichkeit, mich umschulen zu lassen.“ So erhielt er dann eine siebenmonatige Spezialisierung zum Eurofighter-Mechaniker. Dass Norman ein Händchen für Mechanik hat, darauf kommt man spätestens dann, wenn er von seinem Hobby erzählt: Ganze fünf Schwalben – und damit sind nicht die Singvögel gemeint – befinden sich in seinem Besitz. Nur zu gerne bastelt er an den nostalgischen Mopeds der DDR-Marke Simson herum. Auch wenn der Einzylinder-Zweitakt-Ottomotor des kleinen Vogels in keinem Verhältnis zu den wesentlich leistungsstärkeren und komplexeren EJ200-Triebwerken eines Eurofighters steht, so bedeutet das nicht weniger Spaß für Norman bei der fachmännischen Begutachtung.

 

Auf die Testfläche, fertig und los!

Der Eurofighter wird auf die Testfläche außerhalb der Instandsetzungshalle geschleppt. Gleich darauf befestigen die Mechaniker dicke Stahlseile mit Karabinern an einer Fanghakenfesselung. Norman freut sich sichtlich. Gleich sehen sie, ob beim Einbau des neuen Triebwerks alles richtig gelaufen ist. Mithilfe eines Datenspeichers, etwas größer als eine Taschentuchpackung, wird der Motor zunächst konfiguriert. „Während das Flugzeug für den Test vorbereitet wird, inspizieren wir den Lufteinlaufschacht und beispielsweise auch die Füllstände der eingesetzten Betriebsmittel“, sagt der gelernte Fluggerätemechaniker. Dann darf er sich selbst ins Cockpit des Jets setzen, um die Schalterstellungen vor Beginn des Triebwerktestlaufs zu überprüfen.

Der gelernte Fluggerätemechaniker darf dank seiner erworbenen speziellen Zusatzqualifikation die Leitung des Testlaufs vom Cockpit aus übernehmen. (Quelle: Luftwaffe/Philipp Kloß)

 

Auf ohrenbetäubenden Lärm folgt grauer Rauch

Der Test ‚Engine Acceptance Run‘ beginnt: „An dieser Stelle prüfen wir, ob gewisse Parameter erfüllt werden“, erklärt Norman. Dabei müssen etwa auch die Drehzahlen des Triebwerks, in Abhängigkeit der hohen Temperaturen, gemessen werden. Inzwischen kann man sich nur noch mit Gehörschutz in der Nähe des Jets aufhalten – der Lärm ist ohrenbetäubend. Starke Schwingungen gehen vom Flugzeug aus, sodass sich jeder einen speziellen breiten elastischen Gurt – ähnlich einem Nierengurt – anlegen muss, um die Vibration abzudämpfen. Dicker grauer Rauch quillt aus der Rückseite des Eurofighters. Das neue Triebwerk war offenbar lange Zeit im Lager. Parallel führen Norman und seine Kameraden eine stetige Qualitäts- und Mängelprüfung durch. Der Nachbrenner wird gezündet – er verleiht dem Triebwerk einen zusätzlichen Schub. Die Stahlseile sind straff gespannt und es sieht so aus als würden die Verankerungen jeden Moment aus dem Boden gerissen. Schließlich schiebt Norman den Throttle, wie der Beschleunigungsregler auch genannt wird, langsam zurück. Nach minutenlangem Lärm ist der Testlauf erstmal beendet: „Alles einwandfrei“, bemerkt Norman zufrieden. Der Datenspeicher hat die Ergebnisse festgehalten. Um die Prüfung endgültig abschließen zu können, muss der Speicher jetzt nur noch am Computer ausgewertet werden. Dann wird sich zeigen, ob sich Norman und sein Team auf die Schulter klopfen können.

 

Autor: Philipp Kloß/Luftwaffe

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