Der Traum vom Fliegen wird wahr

Der Traum vom Fliegen wird wahr

Bei der 3. Deutschen Luftwaffen Ausbildungsstaffel USA in Goodyear / Arizona machen Anwärter für den Fliegerischen Dienst in der Luftwaffe ihre ersten Erfahrungen in der Fliegerei. „Raven 5 cleared for Takeoff“ – mit diesem Funkspruch beginnt für Fähnrich Felix Gerwig (23) das Abenteuer Fliegerei. Rechts von ihm sitzt Fluglehrer Major Peter Kopp (40), der ihn auf diesem Flug mit der Grob 120A begleitet. Die einmotorige Propellermaschine hat vom Kontrollturm des Goodyear Municipal Airport die Startfreigabe erhalten. Es ist früh am Morgen, die Sonne steht noch tief am Horizont und der Himmel erstrahlt in tiefem Blau. Auf dem Programm dieses gut eineinhalb Stunden dauernden Ausbildungsfluges stehen unterschiedliche Flugmanöver, wie Steilkurven, Langsamflug oder Trudeln. Im Übungsgebiet südlich von Goodyear sollen dann auch noch Platzrunden und Landungen auf dem kleinen Landeplatz „Mobile“ in der Wüste durchgeführt werden. Zum Schluss müssen dann auch noch Notverfahren durchgespielt werden. Alles ist auf der Mission Card festgehalten, die für jeden Flug genau beschreibt, was der Flugschüler beherrschen muss.

 

Es kann losgehen

Ein letzter Blick auf die Instrumente und Fähnrich Gerwig schiebt den Leistungshebel nach vorne. Hunderte von Malen hat er am Boden alles in Gedanken durchgespielt, jetzt ist es Realität. Langsam beschleunigt die Grob 120A auf der Startbahn des Regionalflugplatzes Goodyear am Rande der Millionenmetropole Phoenix im Südwesten der USA. Bei 70 Knoten oder knapp 130 Stundenkilometern Geschwindigkeit zieht er am Steuerknüppel und lässt die Grob 120A vom Boden abheben. Jetzt heißt es Fahrwerk einfahren und wenig später folgen auch die Klappen. Mit 100 Knoten Geschwindigkeit steigt er auf 3000 Fuß Höhe und steuert die Grob 120A auf der vorgeschrieben Abflugroute Richtung Übungsgebiet südlich von Goodyear. Nach Erreichen der geplanten Höhe führt Fähnrich Gerwig die Level Off Checks durch. Höhe, Geschwindigkeit, Kurs, Triebwerksinstrument und Kraftstoffanzeige werden überprüft. „Ops Check complete“, meldet er seinem Fluglehrer. Seit 1989 gehört ein Bild wie dieses zur täglichen Routine in Goodyear, denn zu diesem Zeitpunkt wurde in der 3. Deutschen Luftwaffenausbildungsstaffel USA der Ausbildungsflugbetrieb aufgenommen.

 

Blick zurück

Mit der Ausmusterung der Piaggio P149D bei der Luftwaffe verlagerte man 1989 das „Screening“, wie der fliegerische Anteil der Eignungsfeststellung früher hieß, von Deutschland nach Arizona. Aus Kostengründen entschied man sich damals dazu, die bereits bestehenden Einrichtungen der Lufthansa-Tochterfirma ATCA (Airline Training Center Arizona) als Teil der Lufthansa Flight Training GmbH in Goodyear mit zu nutzen. Dabei wurden anfänglich die Maschinen der ATCA vom Typ Beechcraft Bonanza F33 geflogen, bis im Jahr 2002 sechs Maschinen vom Typ Grob 120A mit digitaler Instrumentierung hinzukamen. Die von der Luftwaffe angeschafften Maschinen werden seither von der ATCA technisch gewartet. Ab 2001 wurde auf das Auswahlverfahren umgestellt und das Initial Flying Training (IFT) in zwei Phasen eingeführt. Während das „Screening“ ein rein fliegerisches Auswahlverfahren für die Anwärter des Fliegerischen Dienstes von Luftwaffe und Marine darstellte, ist das IFT eine fliegerische Erstausbildung.

 

Initial Flying Training

Die Phase 1 umfasst eine dreimonatige fliegertheoretische Ausbildung der Fluganwärter bei der 9. Inspektion der Offizierschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Vorgeschaltet ist ein achtwöchiger US-Qualification Course, in dem der Schwerpunkt auf Flieger-Englisch gelegt wird. Im Anschluss an das IFT der Phase 1 durchlaufen die Fluganwärter noch die Lehrgänge Überleben See bei der Marine in Nordholz und Flugphysiologie bei der Außenstelle des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Bundeswehr (vormals Flugmedizinisches Institut der Luftwaffe) in Königsbrück. Danach heißt es für die Lehrgangsteilnehmer Koffer packen für das IFT der Phase 2 in Goodyear. In einem zweiwöchigen Theorieblock werden dann Themenbereiche wie Flugzeugsysteme, Instrumentenflug, Flugplanung und Luftraumstruktur behandelt und mit einem Test abgefragt, der mit mindestens 85% richtigen Antworten bestanden werden muss. Dieser Teil und die ersten zehn Flüge sind für die bereits fest eingeteilten Flug-Anwärter in den Ausbildungsgruppen Jet-Piloten, Waffensystemoffiziere (WSO) und Transportluftfahrzeugführer identisch. Dieses Basisprogramm dauert etwa sechs Wochen. Danach trennen sich die Wege.

 

Role Specific Training Program

Der zweite Abschnitt der fliegerischen Erstausbildung in Goodyear dauert je nach weiterer Verwendung zwischen zwei und fünf Wochen. In diesem rollenspezifischen Trainingsprogramm (Role Specific Training Program) fliegen die Flugzeugführeranwärter Jet nach einem weiterführenden Unterrichts- und Briefingblock nochmals 20 Stunden mit 17 Flügen in 35 Tagen. Die WSO-Anwärter erhalten ein auf ihren zukünftigen Aufgabenbereich abgestimmtes ähnliches Programm, mit etwas mehr als acht Flugstunden und sieben Flügen in 14 Tagen. Die angehenden Transportflugzeugführer absolvieren nochmals 11 Flüge in 15 Tagen, bevor sie für zwei Jahre zur 4. Staffel des Lufttransportgeschwaders 62 (4./LTG 62) in Bremen versetzt werden. Bei der dort ebenfalls ansässigen Lufthansa Flight Training GmbH werden sie sechs Monate in unterschiedlichen Theoriefächern, wie Instrumentenflug, Luftrecht und Luftraumstruktur, Physiologie und Psychologie ausgebildet, bevor sie erneut zur 3. Deutschen Luftwaffenausbildungsstaffel USA nach Goodyear zurückkehren. Im sich dort anschließenden fünfmonatigen sogenannten „Bw-Lehrgang“, der unter der Leitung der Lufthansa stattfindet, fliegen sie dann noch mal 105 Stunden, bevor es in Deutschland in die weitere Ausbildung zum Transportflugzeugführer geht. Die Anwärter Jet-Pilot und WSO setzen nach dem Abschluss des IFT in Goodyear ihre fliegerische Ausbildung auf der Sheppard Air Force Base (AFB) in Texas und auf der Naval Air Station Pensacola (für WSO) fort, bevor sie in die Waffensystemausbildung Tornado oder Eurofighter geschickt werden.

 

Ein normaler Arbeitstag

Für Fähnrich Gerwig hat der Flugdienst bereits um 7 Uhr morgens mit dem Wetter- und Einsatzbriefing in der Staffel begonnen. Neben einem bei 300 Sonnentagen im Jahr manchmal etwas langweiligen Wetterbriefing haben die bis zu acht Flugschüler pro IFT-Kurs ebenfalls Informationen über Gebiete mit Flugbeschränkungen, die sogenannten Notices to Airmen (NOTAMs) erhalten. Darüber hinaus ist ihnen auch das routinemäßige Briefing mit Notverfahren nicht erspart geblieben. Für das sogenannte „Emergency Procedure Standup“ wird in der Staffel täglich ein Flugschüler ausgewählt, der Rede und Antwort stehen muss zu einem Notfallverfahren, wie zum Beispiel einem Triebwerksausfall. Neben den auswendig gelernten Verfahrensschritten für den Notfall, der „Bold Face Procedure“, werden dabei grundlegende fliegerische und technische Kenntnisse der Flugschüler abgefragt. All das hat Gerwig an diesem Tag bereits erfolgreich gemeistert, als er mit Major Kopp, seinem Fluglehrer, die Staffel verlässt und die wenigen Meter zum ATCA-Gebäude hinüber läuft, wo er das Bordbuch einer der sechs Grob 120A empfängt und auch Fallschirm und Gurtzeug anlegt. Das übliche Flight Briefing für seinen heutigen Flug hat er bereits am Vortag nach dem vorhergehenden Flug von seinem IP (Instructor Pilot) bekommen, damit er sich tags zuvor schon gezielt auf den nächsten Flug vorbereiten kann.

 

Der Traum vom Fliegen

Für Fähnrich Felix Gerwig aus Bamberg ist er wahr geworden. Seit seinem achten Lebensjahr träumt er vom Fliegen. Oft durfte er als Jugendlicher mal mit ins Cockpit, da sein Vater bei der Lufthansa beschäftigt ist. “Die Fliegerei hat mich schon immer fasziniert”, meint er und fügt hinzu: „Man muss hier viel büffeln und eine Menge von Informationen in kurzer Zeit verarbeiten. Dabei sind Teamwork und der Informationsaustausch untereinander sehr wichtig.“ In der Staffel fühlt er sich sehr wohl und nutzt in der knapp bemessenen Freizeit auch die Möglichkeiten Land und Leute kennenzulernen. „Wenn ich das IFT hier schaffe und danach die Theorie bei der Lufthansa in Bremen, dann freue ich mich schon darauf, nochmal nach Goodyear zurückkehren zu können.“ Langfristig hat er das Ziel vor Augen, A400M zu fliegen.

 

Wandel in der Ausbildung

Fluglehrer Major Peter Kopp verdeutlicht, was sich in den letzten Jahren verändert hat. Als erfahrener Pilot und Fluglehrer mit über 3000 Flugstunden auf Tornado und Grob 120A sieht er die Veränderungen so: „Das Lernen mit elektronischen Medien ist erheblich umfangreicher geworden. Die Fülle von Informationen und die Komplexität der Ausbildung sind in den letzten Jahren gestiegen. Den Flugschülern wird in kürzerer Zeit mehr Stoff vermittelt. Für alle Lehrgangsteilnehmer ist der Berg hier sehr steil, aber man muss die Motivation haben, den Gipfel erreichen zu wollen. Als Fluglehrer ist man nicht minder gefordert, denn die Kameraden, die hier als „Fußgänger“ ankommen, sollen wenige Wochen später schon ihren ersten Solo (Alleinflug) machen. Das ist ein hohe Verantwortung.“

 

Ständige Anpassung

Oberstleutnant Michael Adams (42), Staffelkapitän der 3. Deutschen Luftwaffenausbildungsstaffel USA in Goodyear spannt den Bogen noch etwas weiter. Auch er verfügt über mehr als 3000 Stunden Flugerfahrung auf Tornado, T-38 und Grob 120A und hat bereits andere Dienstposten mit Ausbildungstätigkeit in Sheppard AFB/Texas und an der 9./OSLw in Fürstenfeldbruck hinter sich: „Die fliegerische Ausbildung bei der Bundeswehr wird in den nächsten Jahren noch weiter konzentriert und optimiert werden. Mit den hochmodernen fliegerpsychologischen Auswahlverfahren des Flugmedizinischen Institutes der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck, oder dem Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Bundeswehr (ZLRBw), wie es seit dem 01.10.2013 heißt, haben wir eine hohe Trefferquote hinsichtlich geeigneten Personals. Wer hier in Goodyear ankommt, der hat fast immer das Zeug dazu, das IFT und die weitere Ausbildung erfolgreich zu bestehen. Dass dies so ist, zeigt uns das positive Feedback aus Sheppard und Pensacola, wo die Anschlussausbildung der Piloten und Waffensystemoffiziere stattfinden. Seit diesem Jahr haben wir auch die Ausbildung unserer angehenden Transportflugzeugführer angepasst und um neun Flüge im IFT erweitert. Damit erreichen wir eine noch bessere Vorbereitung der angehenden Transportflugzeugführer für die weitere Ausbildung und sind in einem ständigen Prozess der Anpassung und Optimierung. Auf dem Gebiet der computergestützten Ausbildung (CUA) liegen wir bereits weit vorne und hoffen auch im Bereich der simulatorgestützten Ausbildung bei der Grob 120A bald adäquate Ausbildungshilfen mit einbeziehen zu können. Zukünftig werden wir hier auch Führer von Drohnen, bzw. RPAs (Remotely Piloted Aircraft) auf ihre weitere Ausbildung vorbereiten. Hinzu kommen auch Bundeswehr-Studenten des Studienganges ILST (Internationaler Studiengang für Luftfahrtsystemtechnik und Management.) der Hochschule in Bremen, die studienbegleitend bei uns ihre Fluglizenz (Private Pilot License) erwerben und aufrechterhalten werden. Dies ist auch schon ein Ausblick auf die Zukunft der Fliegerischen Ausbildung der Bundeswehr, die bald in einen Dualen Studiengang an der Universität der Bundeswehr (UniBw) eingebunden werden soll.“

 

Duales Studium

Die verschiedenen Bereiche der Fliegerischen Ausbildung der Bundeswehr werden sich in naher Zukunft in den an der UniBw in München vorgesehenen Dualen Studiengang Aeronautics einfügen. In dem vier Jahre dauernden Bachelor Studium mit Luftfahrtbezug wird neben dem akademischen Anteil der Ausbildung die Ausbildung zum Flugzeugführer oder Luftfahrtzeugbesatzungsanghörigen eingebunden sein. Damit soll die Attraktivität für Verwendungen im Fliegerischen Dienst der Bundeswehr gesteigert und gleichzeitig auf ein breiteres Tätigkeitsspektrum innerhalb der Bundeswehr mit höheren Qualifikationen hingewirkt werden.

 

Autor: Ulrich Metternich
Foto: Ulrich Metternich
Quelle: Luftwaffe
 

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