FlaRak: Mit der Wiedervereinigung änderte sich alles

FlaRak: Mit der Wiedervereinigung änderte sich alles

Mit der Wiedervereinigung standen die Luftwaffe und damit auch die Flugabwehrraketeneinheiten vor großen Herausforderungen. Neuorientierung und Neuausrichtung hieß die Devise. Der Flugabwehrraketengürtel Richtung Osten war nicht mehr notwendig. Statt Heimatverteidigung stand nun der mögliche weltweite Krisenreaktionseinsatz im Mittelpunkt. Das sollte sich im Laufe der nächsten Jahre noch konkreter zeigen.

 

Mit dem Patriot-System können sowohl Flugzeuge als auch ballistische Raketen abgewehrt werden. (Quelle: Luftwaffe/Sylvia Wiemers)

Die Integration der Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) erfolgte unter hohem Zeitdruck. Gleichzeitig wurde die Personalstärke reduziert und nicht mehr benötigte Alt-Waffensysteme abgegeben. Denn die Bedrohungs- und die Finanzlage hatten sich geändert. Außerdem musste Personal, Material und Infrastruktur der NVA in die Luftverteidigung Deutschlands und der NATO integriert werden.

 

Hierzu stellte die Luftwaffe die 5. Luftwaffendivision in Strausberg auf. Für den Bereich Flugabwehrraketen (FlaRak) waren ihr das Flugabwehrraketengeschwader (FlaRakG) 51 in Sanitz und das FlaRakG 52 in Ladeburg unterstellt. Die wurden allerdings Ende 1992 wieder aufgelöst. Schließlich füllte die FlaRakGrp 31 mit dem Waffensystem Hawk noch 1993 die entstandene Lücke am Standort Sanitz. Daneben existierten natürlich weiterhin noch die FlaRak-Verbände in den alten Bundesländern, darunter das ehemalige FlaRakG 21. Es wurde als erster FlaRak-Verband mit dem neuen Waffensystem Patriot ausgestattet und der NATO zugewiesen. 1993 schloss die Luftwaffe die Einführung des Waffensystems Patriot ab.

 

Das Roland-Waffensystem schützte vor allem den Nahbereich, beispielsweise von militärischen Sicherheitsbereichen. (Quelle: Luftwaffe/Sylvia Wiemers)

Desert Storm – Die erste Bewährungsprobe

Im Jahre 1991 kam es zum Auslandseinsatz im Rahmen der Operation Desert Storm. Das damalige FlaRakG 2 entsandte Hawk- und Roland-Einheiten in die Türkei an den Flugplatz Diyarbakir. Es war der erste vom Bundestag genehmigte Einsatz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

 

Mit dem Hawk-Waffensystem konnten Ziele in bis zu 17.700 Metern Höhe bekämpft werden. (Quelle: Luftwaffe/Sandra Elbern)

Neue Namen, neue Konzepte

Die bisherigen Flugabwehrraketenkommandos (FlaRakKdo) wurden Anfang 1993 in FlaRakG und die bisherigen FlaRakG in Flugabwehrraketengruppen (FlaRakGrp) umgegliedert. Damit einher ging außerdem die Auflösung von drei Hawk-Verbänden, deren Staffeln allerdings auf die neuen FlaRak-Gruppen aufgeteilt wurden. Der Grundgedanke, eines gemischten Einsatzes von Patriot, Hawk und Roland unter der Führung eines gemeinsamen Stabes, blieb zunächst noch erhalten. Ziel war es, die Stärken und Einsatzmöglichkeiten der Waffensysteme unter einer einheitlichen Führung zu kombinieren und synergetisch zum Einsatz zu bringen. Dies bedeutete zudem den Startschuss für die Entwicklung eines Geschwadergefechtsstandes, dem späteren SAMOC. Ein neues Konzept sah Einsatzzonen im Bündnisgebiet der NATO vor. Dazu wurden 1996 zwei der ehemals sechs FlaRakG den Krisenreaktionskräften (KRK) zugeordnet und der NATO unterstellt.

 

Das Ende von Hawk und Roland

Im FlaRak-Verbund geriet Hawk zum Ende der 90er Jahre mit seiner inzwischen veralteten Technik und seinen langsameren Datenverbindungen gegenüber dem moderneren Patriot immer mehr in den Hintergrund. Trotz weiterer Anpassungen des Waffensystems, um dieses auch weiterhin im Waffensystemverbund halten zu können, erreichte man absehbar die Grenzen der Aufrüstbarkeit zur Steigerung der Interoperabilität. Dies trat im sogenannten „Netted Scenario“ immer häufiger zu Tage.

 

Mit dem Patriot-Waffensystem ist die Luftwaffe seit 1989 ausgerüstet. (Quelle: Luftwaffe/Sylvia Wiemers)

Hohe Betriebskosten, immer knapper werdende Ersatzteile und der umfangreiche Personal-, Fahrzeug- und Wartungsbedarf führten schließlich zur schrittweisen Außerdienststellung und damit Auflösung der Hawk-Verbände. Als nur kurze Übergangslösung erwiesen sich vier gemischte FlaRak-Gruppen Hawk/Roland, denen allerdings nur eine kurze Lebensdauer beschieden war.

 

Das Waffensystem Roland erfüllte allerdings noch einen besonderen politischen Einsatzauftrag. Die FlaRakGrp 42 schützte im Rahmen des Roland-Patriot-Abkommens von 1983 US-amerikanische Basen in Deutschland. Diese Schutzaufgabe war seitens der FlaRak bis Ende 2005 sicherzustellen. Nach Ablauf dieser Verpflichtung und vor dem Hintergrund der Einschränkungen bei Hawk erfolgte die Außerdienststellung beider Systeme. Die jeweils letzten zwei Hawk- und Roland-Einheiten wurden Ende 2005 mit der FlaRakGrp 15 in Leipheim außer Dienst gestellt.

 

Patriot in den neuen Bundesländern

Bereits seit 1993 war geplant, auch das Waffensystem Patriot in die neuen Bundesländer zu verlegen, allerdings verzögerte sich die Erstellung der hierzu notwendigen Infrastruktur für die FlaRakGrp 24 am Standort Bad Sülze erheblich. So war es die FlaRakGrp 21 im Jahre 2004, die nach Auflösung des Hawk-Verbandes in Sanitz deren Platz einnahm. Damit war die Gruppe auch der erste Patriot-Verband in den neuen Bundesländern. Seit dem Zuzug der 24er im Jahre 2006 befindet sich seitdem an den Standorten Sanitz und Bad Sülze das Gros der Patriot-Einheiten der FlaRak in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Der Einsatz Active Fence Turkey (AF TUR)

Im Laufe des Bürgerkriegs in Syrien schlugen immer wieder Artillerie- oder Mörsergranaten auf der türkischen Seite ein. Die Türkei fürchtete zudem einen Einsatz von Chemiewaffen durch die Syrer. Dieser Bedrohung konnte der NATO-Partner Türkei keine eigenen Schutzsysteme entgegenstellen. Daher bat die Türkei die NATO im November 2012 um Beistand. Der Deutsche Bundestag stimmte noch im Dezember 2012 dem FlaRak-Einsatz in der Türkei zu. Am Drei-Königstag 2012 nahm ein Schiff im Travemünder Hafen das Material für den Einsatz nahe der türkischen Stadt Kahramanmara? auf. Das Hauptkontingent der Soldaten verlegte noch im Januar 2013 in die Türkei und konnte die Einsatzbereitschaft binnen zehn Tagen herstellen. Nach 989 Einsatztagen endete der operative Einsatz im Oktober 2015. Personal und Material konnten bis Ende Dezember 2015 wieder nach Hause zurückgeführt werden.

 

Das neue Waffensystem für den Nahbereichsschutz, MANTIS, kann sogar Mörsergranaten abwehren. (Quelle: Rheinmetall/Archiv)

Neue Systeme, neue Strukturen – Die Zukunft hat begonnen

Bereits 2011 übernahm die Luftwaffe die Aufgabe Flugabwehr vom Deutschen Heer und damit die Waffensysteme MANTIS, das leichte Flugabwehrsystem (LeFlaSys) mit dem Waffenträger Ozelot sowie das Luftraumüberwachungsradar LÜR. Hierzu wurde die FlaRakGrp 61 neu aufgestellt, dem FlaRakG 1 unterstellt und schließlich in Panker/Todendorf stationiert.

 

Das noch durch das Heer geforderte und später durch die Luftwaffe eingeführte Waffensystem MANTIS ist ein stationäres Nahbereichs-Flugabwehrsystem. Neben den klassischen Zielen der Flugabwehr, dient es insbesondere dem Feldlagerschutz gegen Ziele wie Raketen, Artilleriegeschosse oder Mörsergranaten. LeFlaSys dient primär zur Sicherstellung des begleitenden Schutzes von hochbeweglichen bodengebundenen Einheiten des Heeres gegen Bedrohungen aus der Luft.

 

Das Jahr 2013 brachte der FlaRak nicht nur den Beginn des Einsatzes AF TUR, sondern auch eine neue Struktur. Im Januar wurde in Bayern das FlaRakG 5 mit den unterstellten Patriot-Gruppen 22 und 23, in Schleswig-Holstein die FlaRakGrp 25 aufgelöst. Im März wurde in Mecklenburg-Vorpommern der Stab des FlaRakG 2 außer Dienst gestellt und die verbliebenen FlaRakGrp 21 und 24 dem FlaRakG 1 in Schleswig-Holstein unterstellt. Dazu kam das Taktische Aus- und Weiterbildungszentrum Flugabwehrraketen Luftwaffe (TAWZ) in Fort Bliss, Texas. Damit erhielt der letzte verbliebene Großverband der FlaRak sein heutiges Aussehen. Dem FlaRakG 1 als größtem Verband der Luftwaffe unterstehen nun die FlaRakGrp 21, 24, 26, 61 und das TAWZ.

 

Damit die Patriot-Besatzungen ihr Waffensystem beherrschen, trainieren sie jährlich auf Kreta den scharfen Schuss. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Seit der Wiedervereinigung 1990 stand der Dienstteilbereich FlaRak immer wieder vor neuen Herausforderungen. Man hat sich diesen gestellt, sie bewältigt und sich in sechs Jahrzehnten als überaus verlässliches Rückgrat der Luftverteidigung im Frieden und Einsatz erwiesen. Es gilt nun, aus der Vergangenheit zu lernen, bewährte Erfahrungen und Traditionen zu erhalten. Außerdem müssen Neuerungen im Bereich der Interoperabilität und Vernetzung mit den vielfältigen Führungs- und Waffensystemen der NATO-Bündnispartner und auch mögliche europäischer Partner, im Sinne eines kollektiven Verteidigungsverbundes erfolgen.

 

Autor: Markus Dorfmüller/Luftwaffe

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