Mit der Kamera im Herzen des A400M

Mit der Kamera im Herzen des A400M

Hoch konzentriert bewegt sich Stabsfeldwebel Damir Trkulja in den Innereien von Europas modernstem Flugzeugtriebwerk. Sein Blick führt ihn in eines der Herzen des A400M mit rund 11.000 PS Leistung. Doch eigentlich sollte die heutige Prüfung gar nicht notwendig sein.

Ankunft des ersten A400M in Wunstorf am 19.12.2014 (Quelle: Luftwaffe/Schuhmann)

Mit Betrieb der ersten drei A400M im Lufttransportgeschwader 62 (LTG 62) in Wunstorf hat eine neue Ära begonnen. Fortan verfügt die Luftwaffe über ein Transportflugzeug, welches die bisher genutzte Transall C-160 in so ziemlich allen Leistungsvergleichen hinter sich lässt. Mit 37 Tonnen kann der A400M doppelt so viel transportieren, hat eine vielfach höhere Reichweite und erreicht dabei Geschwindigkeiten, von denen Transall-Piloten nur träumen können. Und doch bietet das modernste Transportflugzeug der Welt derzeit nicht nur Grund zur Freude. Denn statt Erfolgsmeldungen produziert die Maschine in den Medien zahlreiche Negativschlagzeilen. Verzögerungen bei der Entwicklung, Qualitätsprobleme in der Fertigung und in der Folge Lieferverzögerungen begleiten das Projekt. Zuletzt wurden bei einer britischen Maschine Materialfehler im Flugzeuggetriebe bekannt. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) erließ daraufhin eine sogenannte Emergency Airworthiness Directive (EAD = dringliche Lufttüchtigkeitsanweisung). Sie beinhaltet Maßnahmen, die durchzuführen sind und entsprechende Fristen, damit die Lufttüchtigkeit weiter gewährleistet kann.

Bei einer britischen Maschine stellte sich das Triebwerk im Flug ab. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Ein Koloss in der Halle

In der Wunstorfer Heimatbasis führt diese Anweisung zu zusätzlicher Arbeit. Regelmäßig müssen die Maschinen in die Instandsetzungshalle geschleppt werden, wo das rund 15m hohe Leitwerk und die Flügel mit einer Spannweite von mehr als 40m, fast den gesamten Platz einnehmen. Dort werden die Getriebe aller bisher ausgelieferten Maschinen aufgrund des Zwischenfalls untersucht. Die Inspektionen werden abhängig von geleisteten Flugstunden durchgeführt, da im Gegensatz zum privaten Pkw nicht die erflogenen Kilometer zählen. Derzeit gilt es die vier Triebwerke wie folgt zu prüfen: Alle rechtsdrehenden erstmalig nach 100 Flugstunden, danach alle 20 Flugstunden. Die linksdrehenden nach 450 Flugstunden, danach alle 150 Flugstunden . Die beiden Propeller einer Tragfläche drehen sich in entgegengesetzter Richtung. Damit findet die Abwärtsbewegung der Propeller zwischen beiden Triebwerken statt. Stabsfeldwebel Damir Trkulja ist einer der Techniker im LTG 62, die für diese Prüfungen zuständig sind. Er steht in 3m Höhe auf einer Hebebühne am aufgeklappten Triebwerk des A400M.


Neben den Propellern mit 5m Durchmesser, wirkt Trkulja klein. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Von der Transall zum A400M

Trkulja gehört zu den ersten Mechanikern des LTG 62, die auf dem A400M bei der Industrie in Sevilla ausgebildet wurden. Schon als Kind hat er sich für Flugzeuge interessiert und so führte sein Weg 1991 zur Luftwaffe nach Wunstorf. Dort begann er eine Ausbildung zum Fluggerätemechaniker, die er 1994 abschloss. Nach einer kurzen Zeit als ziviler Techniker bei der Bundeswehr, wechselte er 1995 auf die Soldatenseite, wo er fast 20 Jahre für die Transall zuständig war und rasch Karriere machte. Seit 2015 ist er am A400M tätig – für ihn ein Sprung, der vergleichbar ist mit dem von der bewährten, jedoch alten Technik des VW Käfers hin zum Technologieträger VW Phaeton.


Mit einem Videoskop untersucht Trkulja das Triebwerk. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Mit der Hand an 11.000 PS

Alle Triebwerke der drei bisher an Deutschland ausgelieferten Maschinen werden durch Trkulja mittels eines Videoskops untersucht. Dabei gilt es, den Übergang von der Triebwerkseingangswelle zum Getriebe, dem sogenannten Input-Pinion-Plug zu prüfen. „Die Untersuchungen bei der britischen Maschine haben ergeben, dass diese auf Beschädigungen am Input-Pinion-Plug zurückzuführen sind“, erläutert Trkulja die Hintergründe für diese Maßnahme. Ursächlich hierfür seien die enormen Kräfte, die bei der Kraftübertragung von rund 11.000 PS auf die Propeller auftreten. Die Firma Airbus hat bereits zugesichert, dieses Problem durch ein Design-Review lösen zu wollen. Die Triebwerke für den A400M werden unterdessen vom Herstellerkonsortium Europrop International (EPI) hergestellt, an dem die Firmen Industria de Turbo Propulsores, S.A. (ITP), MTU Aero Engines, Rolls-Royce und Safran Aircraft Engines beteiligt sind. Das Getriebe wiederum wird vom italienischen Hersteller Avio gefertigt, der zum US-Konzern General Electric gehört.


Der Bildschirm zeigt Trkulja das Triebwerksinnere. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Mit der Kamera im Triebwerk

Die Arbeiten an den Triebwerken sind technisch anspruchsvoll. „Mit dem Videoskop gehe ich über eine 5mm kleine Bohrung ins Getriebe und kontrolliere dort den Input-Pinion-Plug“, beschreibt Trkulja die Millimeterarbeit. Das Videoskop besteht aus einem langen, biegsamen Schlauch und ist im inneren mit Glasfasern ausgestattet, die Trkulja tief in den zu untersuchenden Hohlraum einführt. „Im Grunde genommen können sie das mit einer Darmspiegelung vergleichen“, schmunzelt der Techniker, während er konzentriert das Videoskop in Position bringt. Die Glasfasern bringen das Licht aus einer Quelle zum Ort der Inspektion, von wo ein reflektiertes Bild durch die Optik zu einer Kamera mit angeschlossenem Bildschirm gelangt. „Sofern wir bei der Untersuchung Beschädigungen finden, machen wir Fotos davon und schicken diese an den Triebwerkshersteller EPI“, erläutert Trkulja das weitere Vorgehen. Beim Triebwerkshersteller werden die Fotos anschließend gesichtet und bewertet. Sollte tatsächlich ein Schaden bei der Untersuchung festgestellt werden, wird das betroffene Triebwerk ausgewechselt.


Mit Fingerspitzengefühl dirigiert Trkulja das Videoskop ins Triebwerk. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Schäden am A400M

Und tatsächlich wurden die Techniker der Luftwaffe bei zwei Maschinen fündig: Die Maschinen mit der Kennung 54+01 (364 Flugstunden) und die 54+02 (181 Flugstunden) wiesen bei der Inspektion des Input-Pinion-Plugs Materialausbrüche auf. Die 54+01 wurde im Dezember 2014 als erste Maschine an die Luftwaffe übergeben, die 54+02 im Dezember 2015. Bei beiden Maschinen ist jeweils ein rechtsdrehendes Triebwerk betroffen. Die Luftwaffe verfügt über ein rechtsdrehendes Ersatztriebwerk, dass bereits eingebaut wird.Für die zweite Maschine muss das Ersatztriebwerk von Airbus erst noch geliefert werden.


Die betroffenen Triebwerke müssen getauscht werden. (Quelle: Luftwaffe/Archiv)


Deutlich im Bild zu erkennen: Ausbrüche im Material. (Quelle: Luftwaffe/Archiv)

Auswirkungen auf den Einsatz des A400M

ür den Kommodore des LTG 62, Oberst Ludger Bette, haben die von der EASA angedachten Maßnahmen Auswirkungen auch auf den operativen Betrieb der Flugzeuge: „Wir müssen insbesondere unsere Langstreckenflüge mit dem A400M so planen, dass zu den angeordneten Inspektionsintervallen, unsere Flugzeuge wieder in der Heimatbasis in Wunstorf stehen“, erklärt Bette. Im Einzelfall kann daher aber ohne Abstriche für die Flugsicherheit von den 20 Flugstundenintervallen auf 30 Flugstunden abgewichen werden. „Wir können deshalb alle derzeit laufenden Einsatzgebiete der Bundeswehr, insbesondere auch Mali, bedienen und in einem Umlauf das Flugzeug auch wieder zurück nach Wunstorf bekommen“, beschreibt Bette die jetzige Situation. Für Oberst Bette ist dennoch klar, der Getriebehersteller muss die Schwierigkeiten am Input-Pinion-Plug schnellstmöglich in den Griff kriegen und durch die EASA zertifiziert und lizensiert bekommen. Bette bringt seinen Wunsch auf den Punkt: „Wir brauchen eine tragfähige Lösung durch den Hersteller, wir brauchen rasch mehr Flugzeuge im Verband, denn der Lufttransportbedarf nimmt durch die Zahl der Einsätze der Bundeswehr absehbar eher zu als ab.“


Bette ist verärgert über die Verzögerungen beim A400M. (Quelle: Luftwaffe/Kevin Schrief)

Autor: Thomas Erken/Luftwaffe

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