Projekt Apollo: Deutsch-niederländische Luftverteidigung

Projekt Apollo: Deutsch-niederländische Luftverteidigung

Dicht gedrängt sitzen der Feuerleitoffizier und sein Feldwebel in der Kabine. Die Luftalarm-Sirenen sind verstummt. Hochkonzentriert verfolgen die beiden Soldaten das anfliegende Ziel auf ihrem Radarbildschirm. Gleich kommt das Feuerkommando zum Start ihrer rund 900 Kilo schweren Raketen. Endlich die Freigabe zum Abschuss: „Three, two, one, engage“, ertönt es über Funk. Mit einem Knopfdruck startet der Feuerleitfeldwebel die Patriot-Rakete. Ein gewaltiger Feuerball blitzt hinter dem Patriot-Startgerät auf. Steine, Geröll und Staub werden aufgewirbelt, als der Lenkflugkörper den Launcher verlässt und sich auf den Weg in sein Ziel macht. Zurück bleibt eine gewaltige Qualmwolke, die das Waffensystem komplett verhüllt. Von alledem bekommen die Soldaten in der Feuerleitkabine nur wenig mit. Bis auf ein dumpfes Grollen vom Start des Lenkflugkörpers.

Für Woessink war der Austausch eine super Erfahrung, die er nicht missen möchte. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

 

Deutsch-niederländische Kooperation

Die Soldaten in der Feuerleitkabine gehören zu rund 500 deutschen und niederländischen Flugabwehrsoldaten auf Kreta. Sie stammen aus dem Flugabwehrraketengeschwader 1 und aus dem „Defensie Grondgebonden Luchtverdedigings Commando“. Gemeinsam üben sie als bi-national Air & Missile Defence Task Force auf der NATO Missile Firing Installation (NAMFI) an der Souda Bucht auf Kreta die Abwehr von Bedrohungen aus der Luft. Hier haben sie 48 Lenkflugkörper Patriot verschossen. Dafür mussten 263 Kraftfahrzeuge und 72 Frachtcontainer per Schiff nach Kreta verladen werden.

Gemeinsame Übungen tragen dazu bei, eine gemeinsame Einheit zu bilden. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

 

Internationale Zusammenarbeit bei der Flugabwehr

Kaum ein Jahr ist es her, dass Deutschland und die Niederlande im Projekt „Apollo“ beschlossen haben, in der bodengebundenen Luftverteidigung enger zu kooperieren. Geführt werden sie erstmalig aus einem gemischt besetzten Gefechtsstand, dem sogenannten SAMOC (Surface to Air Missile Operations Center), der den deutschen und niederländischen Flugabwehrsystemen ihre Ziele zuweist. Vereinfacht wird diese Zusammenarbeit dadurch, dass beide Nationen das Waffensystem Patriot nutzen. Aber das SAMOC ist auch in der Lage, unterschiedliche Systeme befreundeter Nationen zu integrieren.

Auf Kreta wurden 48 Lenkflugkörper Patriot verschossen. (Quelle: Luftwaffe/Nurgün Ekmekcibasi)

 

In kurzer Zeit viel erreicht

„Das geopolitische Umfeld der NATO hat sich dramatisch verändert“, begründet Generalleutnant Dieter Naskrent, stellvertretender Inspekteur der Luftwaffe, die enge Kooperation. Krisen in unterschiedlichen Regionen der Welt haben dazu beigetragen, den Stellenwert der gemeinsamen Verteidigung zu überdenken. Deutschland und die Niederlande tragen in Europa wesentlich zur Luftverteidigung innerhalb der Allianz bei. „Mit dem Start des Apollo-Projekts hat unsere Zusammenarbeit einen neuen Level erreicht, der sich auch in dem erfolgreichen Betrieb eines gemischt besetzten Gefechtsstandes zeigt.“ Zusammen mit seinem niederländischen Pendant, dem stellvertretenden Befehlshaber der Landstreitkräfte, Generalmajor Martin Wijnen, reiste er nach Kreta, um der Task Force eine Anfangsbefähigung (initial operational capable) zur gemeinsamen Gefechtsführung zu attestieren. „Jetzt gilt es, in den nächsten 18 Monaten hart daran zu arbeiten, voll einsatzfähig (full operational capable) zu werden“, betonte Wijnen. Die Patriot-Luftabwehrsysteme gelten innerhalb der NATO als besonders geeignet, um feindliche Flugzeuge, Marschflugkörper oder ballistische Raketen abzuwehren. „Es ist außergewöhnlich, was in so kurzer Zeit bereits erreicht wurde“, erklärte Wijnen den aktuellen Stand des Projekts Apollo.

„Das geopolitische Umfeld der NATO hat sich dramatisch verändert“, sagte Generalleutnant Dieter Naskrent, stellvertretender Inspekteur der Luftwaffe. (Quelle: Luftwaffe/Nurgün Ekmekcibasi)

 

„Das ist ein Mordsding und ein Vorzeigeprojekt “

Von der Leistungsfähigkeit der deutsch-niederländischen Kooperation zeigten sich politische Vertreter beider Nationen überzeugt. So auch der Vorsitzende des niederländischen Verteidigungsausschusses der Tweede Kamer, Han ten Broeke. „Das ist erneut ein beeindruckendes Beispiel dafür, was unsere beiden Nationen gemeinsam erreichen können“, freute sich ten Broeke. Nach der Unterstellung der 43. Niederländischen Mechanisierten Brigade unter die 1. Panzerdivision des Deutschen Heeres, sowie der Aufstellung eines gemischten Panzerbataillons im Frühjahr des Jahres und einer engen maritimen Kooperation der beiden Länder, sei dies nun ein „Mordsding“. „Diese Fähigkeit ist sehr wichtig innerhalb der NATO“, beschreibt ten Broeke den Stellenwert der bodengebunden Luftverteidigung innerhalb des Bündnisses. „Der Umstand, dass Deutschland und die Niederlande hier gemeinsam voran gehen, ist ein Beispiel für unsere beiden Länder, für beide Streitkräfte und für den Rest Europas.“ Dieser Meinung schließt sich auch Gisela Manderla, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages an: „Ich glaube, dass gerade hier bei diesem Schießen die internationale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden sehr gut klappt.“

Das Radarsystem verzichtet auf sich drehende Antennen. Vielmehr können die Richtstrahlen gelenkt (phasengesteuert) werden. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

 

Zusammenarbeit auf vielen Ebenen

Auch wenn der Schwerpunkt der Integration von deutschen und niederländischen Soldaten bisher auf dem gemischt betriebenen Gefechtsstand liegt, trägt das Schießen auf Kreta dazu bei, rasch aus beiden Verbänden eine Einheit zu bilden. „Man lernt die Gesichter kennen und gemeinsames Üben schafft Sicherheit, wenn scharf geschossen wird“, unterstreicht Naskrent. Wichtig sind auch gegenseitige Austauschprogramme. So werden in Kürze deutsche Offiziere in den niederländischen Verband in De Peel eingegliedert. Unterdessen sind bereits zwei niederländische Offiziere im Flugabwehrraketengeschwader 1 in Husum integriert.

„Das ist erneut ein beeindruckendes Beispiel dafür, was unsere beiden Nationen gemeinsam erreichen können“, sagte Han ten Broeke. (Quelle: Luftwaffe/Nurgün Ekmekcibasi)

 

Von De Peel nach Husum als Austauschoffizier

Einer von ihnen ist der 26-jährige Oberleutnant Jasper Woessink. Seit März 2015 ist der aus der Nähe von Arnheim stammende Offizier in Deutschland stationiert. Schon vor Eintritt in die Streitkräfte wusste er, was er später einmal machen möchte: „Ich war bei einem Tag der offenen Tür in den Niederlanden und habe mir Waffensysteme angesehen“, berichtet Woessink. Dort traf er den deutschen Austauschoffizier Thomas Bleibinger und kam mit ihm ins Gespräch über das Austauschprogramm. „Und dann habe ich gedacht: okay, das ist ja cool, weil ich mag die deutsche Sprache und vielleicht ist das für die Zukunft eine tolle Idee.“ Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Flugabwehrsoldaten und dem Einsatz im niederländischen Einsatzkontingent in Incirlik in der Türkei war es endlich so weit: Woessink bekam eine Stelle im Austauschprogramm.

Gemeinsame Übungen tragen dazu bei, eine gemeinsame Einheit zu bilden. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

 

„Wir lernen dabei sehr viel voneinander“

Im vergangenen Jahr war er bereits einmal zum Schießen auf Kreta. Damals gab er seinen ersten scharfen Schuss auf dem Waffensystem ab und teilte sich mit drei Nationen die Feuerleitkabine. „Als verantwortlicher Feuerleitoffizier habe ich mit einem deutschen und einem amerikanischen Kameraden Übungsziele über dem Mittelmeer bekämpft“, erzählt Woessink. Dieses Jahr nahm er als Mission Director im SAMOC an der Übung teil und regelte als solcher die Gefechtsführung der einzelnen Patriot-Stellungen. „Die volle Integration von Soldaten beider Nationen in einem gemeinsamen Gefechtsstand auf gemeinsamen Übungen oder beim Taktischen Schießen auf Kreta ist neu und macht natürlich richtig Sinn“, berichtet er. „Wir lernen dabei sehr viel voneinander.“

Von De Peel nach Husum: Seit März 2015 ist Oberleutnant Jasper Woessink beim Flugabwehrraketen-geschwader 1 voll integriert. (Quelle: Luftwaffe/Von De Peel nach Husum: Seit März 2015 ist Oberleutnant Jasper Woessink beim Flugabwehrraketen-geschwader 1 voll integriert.)

 

„Diese Kooperation ist wirklich beispielhaft“

Aus Sicht des jungen Oberleutnants ist es gar keine Frage, ob man diese deutsch-niederländische Kooperation vertiefen sollte:„Wenn Du siehst, wie gut die Deutschen und die Niederländer miteinander umgehen, vom Mannschafter bis hinauf zu den Stabsoffizieren, dann läuft diese Kooperation wirklich beispielhaft.“ Und so erstaunt seine Antwort auch nicht, wenn man ihn fragt, ob er den Austausch rückblickend noch einmal machen würde: „Ja, natürlich“, lautet seine begeisterte Antwort. „Es war eine super Erfahrung. Ich habe davon ungemein profitiert und es macht mir bis heute sehr viel Spaß.“

Die Launcher werden abgesetzt von den Radar- und Kontrollstationen betrieben. (Quelle: Luftwaffe/Susanne Hähnel)

 

Infokasten

Das Projekt Apollo beinhaltet für die Zukunft eine weitergehende Zusammenarbeit der deutschen und niederländischen Luftabwehreinheiten. Auf dem Programm stehen:
• Gemeinsame Erarbeitung von Vorschriften, Konzepten und einer Doktrin
• Aufstellung einer bi-nationalen Air & Missile Defence Academy
• Unterstellung der Flugabwehrraketengruppe 61 aus Todendorf unter das niederländische Defence Ground-based Air Defence Command
• Die gemeinsame Weiterentwicklung der Fähigkeiten im  Nah- und Nächstbereichsschutz

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