Montagmittag. Das monotone Geräusch sich drehender Rotorblätter erreicht die Idylle über Gatow. Über den Dächern Berlins fallen Fallschirmspringer aus den Wolken. Nebel – ein Hubschrauber landet – 20 Menschen werden evakuiert. Was passiert da im Südwesten der Hauptstadt?
Während die Soldaten in anderen Dienststellen noch den ersten Kaffee der beginnenden Woche trinken, jagt in der General-Steinhoff-Kaserne bereits ein ‚Incident‘ den nächsten. Vorfälle, die die Soldatinnen und Soldaten einer jeden Armee auf die Probe stellen können – und das nicht nur im Auslandseinsatz.
Der Checkpoint – Kontrolle, Sicherheit, Verantwortung
6.00 Uhr. Lange Schlangen bilden sich vor dem Kasernentor. Niemand darf unkontrolliert hineinfahren. Zu groß ist die Gefahr einer Haftladung, einem Sprengsatz an einem Auto. Den Kontrollpunkt (Checkpoint) dürfen nur Fahrzeuge passieren, die vorher durchsucht und abgespiegelt wurden. Dabei checken Soldaten auch den Untergrund eines Fahrzeugs mit Hilfe von Spiegeln. Umständlich – doch Urlaub machen gilt nicht! Auch im Falle einer drohenden Gefahr für die Kaserne muss der normale Betrieb weiterlaufen.
12.00 Uhr. Mittagspause wie fast überall in der Hauptstadt. Plötzlich – eine Explosion! Schreie, Blaulicht, verwundete Menschen. Ein Massenanfall von Verletzten durch eine Granate. Binnen Minuten sind die Sanitäter vor Ort und versorgen die Soldatinnen und Soldaten taktisch. Das heißt: unter Bedrohung oder Beschuss wird anders behandelt, als in einem Krankenhaus. TVV – Taktische Verwundetenversorgung.
Die leise Rettung aus den Wolken
Kurze Zeit später tauchen schwebend und leise vier Fallschirme über Gatow auf. In ihrem Hintergrund eine CH-53. Die Kennung: 84+68 – ein Transporthubschrauber der Lufttransportgruppe Hubschraubergeschwader 64 aus Holzdorf. Rauchschwaden verwirbeln auf dem alten Flugplatz des Militärhistorischen Museums. Der Hubschrauber landet und binnen Minuten werden 20 Personen evakuiert. Sie sind verletzt und können sich nicht selbst befreien. Einer der Aufträge deutscher Spezialkräfte und spezialisierter Kräfte – ‚Personnel Recovery‘, die Rückführung isolierter Menschen und ‚Medical Evacuation‘, der Abtransport verletzter Personen aus einem unsicheren Gebiet.
Sie gehen rein, wenn alle draußen sind
Ist die CH-53 bereits auf dem Rückweg nach Holzdorf, hält ein Soldat im Kommando Luftwaffe den Atem an. Nichts ahnend geht er ans klingelnde Telefon, als ihm eine verzerrte Stimme zuraunt, dass gleich alles in die Luft fliegt. Alarm! Eine Bombendrohung! Jetzt geht es ganz schnell. Das Gebäude wird binnen sieben Minuten evakuiert. Alles wird stehen und liegen gelassen – einfach nur raus! Das Gebäude ist leer, eigentlich. Auf leisen vier Pfoten erschnuppern die Sprengstoffspürhunde der Feldjägerkräfte die kleinste Gefahr. Und sie werden fündig. Die Sprengstoffattrappe wird unschädlich gemacht.
Langsam wird es Abend im Kommando Luftwaffe. Auch wenn es in dem einen Moment ruhig ist, muss das nicht so bleiben. Die Gefährdungsstufe der Kaserne bleibt angehoben. Es ist weiterhin mit einer Bedrohung von außen zu rechnen. Soldaten laufen mit ihren Waffen am Kasernenzaun Streife. Weiterhin passiert kein ziviles Fahrzeug die Wache.
Stop, or i will fire!
„Stehen bleiben, oder ich schieße!“ Eine Person, die in die Kaserne eingedrungen ist, wird festgehalten; eine andere, die eben versucht über den Zaun zu klettern und sich unerlaubt Zutritt verschaffen will, wird angehalten. So oder so ähnlich gilt es militärische Liegenschaften zu schützen. Die Soldatinnen und Soldaten des eingeteilten Sicherungszuges sorgen für die Sicherheit der Kaserne und ihrer Kameraden.
Es brennt! Die Streife, die das Feuer entdeckt hat, wählt sofort den Notruf. Die Profis der Feuerwehr Berlin sind innerhalb kürzester Zeit in der Kaserne. Unter Atemschutz bahnen sie sich ihren Weg durch die dichten Rauchschwaden. Als es heißt „Wasser marsch!“ geht alles ganz schnell. Das eingespielte Team funktioniert perfekt. Der Brand ist gelöscht.
Wir trainieren, wie wir kämpfen
Möglichst reale Übungsszenarien sorgen für die Atmosphäre, die es braucht. Sich in einem vernebelten Feld wiederzufinden und von Kampfrettern evakuiert zu werden, ist näher an der Realität als es sich eben nur vorzustellen. Die Bundeswehr und jede einzelne Einheit – von den Spezialkräften, über die Sanitäter bis hin zu den Logistikern: Das Große Ganze ist nur so gut wie jedes einzelne seiner Teile und deshalb heißt es: üben, üben, üben.
Am 19. und 20. August konnten in Gatow viele Bereiche trainieren. Die Hubschrauberpiloten konnten Flugstunden erfüllen, die Fallschirmspringer ihre Pflichtsprünge absolvieren. Die Sanitäter medizinische Verfahren proben und der Kasernenkommandant, Major Mirko Juhnke, konnte unter realen Bedingungen Sicherheit in seiner Kaserne herstellen. Die Arbeit lief auch zivil-militärisch Hand in Hand. Die Polizei, die Feuerwehr und andere Behörden – alle waren Teil der Alarmübung „Dynamite Wall“ in Gatow.
Oberleutnant Chris ist der Kasernenoffizier der General-Steinhoff-Kaserne. In den vergangenen sechs Wochen hat er diese Übung organisiert, geplant und durchdacht. „Die nötigen Vorschriften waren da, wir haben jetzt die einzelnen Teile zusammengefügt. Was wir hier machen, lässt die Fähigkeiten der Bundeswehr miteinander verschmelzen und bringt Routine in die Zusammenarbeit mit Polizei und Feuerwehr“, sagt Christian. „Üben, übt. Und schlussendlich trainieren wir für Deutschland.“
Autor: Sandra Süßmuth